La Boum:Es lebe die Jalousie

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin hat Übersetzungsschwierigkeiten und träumt von einem Käsefestival.

Von Nadia Pantel

"Was heißt Jalousie auf Deutsch?", wollte das Kind wissen. Das nennen Deutsche genauso wie Franzosen, antwortete ich, "Jalousie". Das Kind wirkte skeptisch. "Die Franzosen haben es erfunden, und die Deutschen fanden die Jalousie so gut, dass sie einfach das Wort übernommen haben." Ich erklärte, wie Eltern halt erklären: Ohne große Ahnung, aber mit freundlicher Stimme. Wir fuhren gerade im Auto durch einen Tunnel. "Die Scheibe leuchtet rot", sagte mein Sohn, und ich war dankbar, dass er noch zu klein war, um irgendwas über Lichtbrechung wissen zu wollen. Die Jalousie schien vergessen zu sein, es ging jetzt um Autoscheinwerfer.

Am Abend im Bett kam die Jalousie zurück. Es ging gleichzeitig um Kuchen. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich im Auto völlig am Thema vorbei erklärt hatte. Denn die richtige Antwort wäre gewesen: "Jalousie heißt auf Deutsch Eifersucht." Es sei denn, die Story, die mir mein Kind von einem besonders schönen Kuchen erzählte, handelte davon, wie bei ihm in der École maternelle wegen Alulamellen vorm Fenster ein großer Streit entbrannt sei. Wie ausgeleiert mein Hirn ist, dachte ich.

"Cheese Porn Odyssey" hieß die Veranstaltung, und das war nicht nur ein Titel

Einen Tag später stellte ich fest: Nicht nur mein Hirn ist ausgeleiert, wir sind alle ganz grundsätzlich ausgeleiert. Ich stand neben meinem Nachbarn, dem Freund der nettesten Nachbarin der Welt, in der Schlange vor dem Labor in unserer Straße, wo man sich PCR-Teststäbchen in die Nase rammen lassen kann. Wir hatten uns zufällig getroffen, so wie man sich früher zufällig in der Kneipe getroffen hat. Es war fast genauso nett.

Mein Nachbar fragte mich, für wie realistisch ich es halte, eine Covid-Infektion wegzulüften. In diesem Fall war der Versuchsaufbau so: Sein Sohn im Grundschulalter hat Covid, sie wohnen zu viert in zweieinhalb Zimmern, die man in Berlin wahrscheinlich Kammern und nicht Zimmer nennen würde.

"Nicht so realistisch", sagte ich. Er nickte. Dann erzählten wir einander überraschende Covid-Anekdoten. Zuerst die, wo etwas ganz schlimm aussieht und dann doch gut endet, dann die anderen. Am Nachmittag sagte ich dann den Vernissagen-Besuch ab, über den ich eigentlich an dieser Stelle hätte schreiben wollen. Stars! Kunst! Alkohol! Ich hätte es mir und Ihnen gegönnt. Stattdessen schlurfte ich abends durchs Internet. Und dort wurde ich auf einmal richtig wach. Ich sah die Einladung für ein 24-stündiges Käse- und Technofestival in einem Schloss in der Auvergne. "Cheese Porn Odyssey" hieß die Veranstaltung, und das war nicht nur ein Titel. Es ging tatsächlich darum, Raclette zu essen und danach, davor oder gleichzeitig sehr laut Musik zu hören. Ich fand in der Einladung keine DJ-Namen, dafür aber die genaue Käsenennung: Saint-Nectaire.

Fast hätte ich mein Kind geweckt, um ihm seine Hand auf mein Herz zu legen: "Schau, so fühlt sich jalousie an." Aber das hätte ja nicht gestimmt. Es war Sehnsucht.

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