Paralympics:Star wider Willen: Zanardi peilt in Rio wieder Gold an

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Rio de Janeiro (dpa) - Das Einzige, was Alessandro Zanardi bis heute wirklich vermisst, ist der warme Sand unter den Füßen bei einem Spaziergang am Strand.

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Rio de Janeiro (dpa) - Das Einzige, was Alessandro Zanardi bis heute wirklich vermisst, ist der warme Sand unter den Füßen bei einem Spaziergang am Strand.

„Aber meine Beine vermisse ich ganz bestimmt nicht. Ich habe gute Gründe zu lächeln“, sagte der frühere Formel-1-Pilot in einer Reportage des NDR-Fernsehens und ergänzte mit einem breiten Grinsen: Vielleicht vermisse ich meine Jugend, weil 95 Prozent meiner Rennkarriere hinter mir liegen.

Zanardi war und ist Rennfahrer durch und durch. Seit seinem verheerenden Unfall vor 15 Jahren steuert er extra für ihn umgebaute Rennwagen - und ein Handbike. Bei den Paralympics in Rio will der 49-Jährige seine beiden Siege von London 2012 wiederholen. „Ich bin fast 50. Aber ich denke, dass ich wieder gewinnen kann“, sagt der Italiener zuversichtlich.

Auf der flachen Strecke am Barra-Strand kommt es vor allem auf die Aerodynamik an, und darauf hat sich Zanardi eingestellt. Seit Monaten tüftelt er am Chassis seines Dreirads, sucht die perfekte Sitzposition, um dem Wind nur eine minimale Angriffsfläche zu geben. Dabei kommen ihm seine Erfahrungen aus dem Rennsport zugute. Auch in einem Formel-1-Auto wurde der Sitz genau auf den Fahrer angepasst, nur er konnte darin sitzen. Und so ist es auch im Handbike, in dem Zanardi in der Vorbereitung 80 bis 100 Kilometer am Tag absolvierte.

Seine Zuversicht, wie vor vier Jahren das Zeitfahren an diesem Mittwoch und das Straßenrennen am Tag darauf gewinnen zu können, nährt sich auch ein bisschen aus Aberglaube. Die Rennen 2012 fanden auf dem Motorsport-Kurs in Brands Hatch statt, in Rio ist der Olympia-Park Barra auf dem Gelände des alten „Autodromo“ gebaut worden. „Ich liebe Rio. Ich war hier in den späten 1990er Jahren für das Indycar-Rennen, das ich nie gewonnen habe“, sagte Zanardi.

Ebenso war es mit Brands Hatch, eine Rennstrecke, die er geliebt hat, auf der er aber sieglos geblieben ist. „Ich musste mit meinem Handbike zurückkommen, um das zu korrigieren. Ich hoffe, das wird auch der Fall in Rio sein. Denn das Athletendorf liegt nahe der einstigen Rennstrecke, auf der ich Inycar gefahren bin“, sagte er.

Im italienischen Team ist Zanardi nur einer von vielen. Ein Star will er nicht sein. Obwohl er seiner Heimat als solcher verehrt wird, seine eigene Fernseh-Show hat. Für seine Landsleute ist Zanardi ein Vorbild, weil sie sehen, wie er mit seinem Schicksal umgeht.

Sein Leben änderte sich am 15. September 2001 in Sekunden- Bruchteilen: Auf dem Lausitzring bei der Premiere der ChampCar-Serie raste der Kanadier Alex Tagliani mit Tempo 320 in Zanardis querstehenden Wagen. Ihm werden beide Unterschenkel abgetrennt.

Vor dem Abflug in die Berliner Unfallklinik gibt ihm der Rennpastor die letze Ölung - mit Motoröl. Zanardi verliert drei Viertel seines Blutes, muss im Hubschrauber mehrmals wiederbelebt werden, erhält rund 100 Blutkonserven. Nach 15 Notoperationen verlässt der Vater eines Sohnes sechs Wochen nach dem Unfall die Klinik - mit einem strahlenden Lächeln. Ärzte, mit denen ihn heute eine Freundschaft verbindet, sprechen von einem medizinisches Wunder.

Mit seiner Frau Daniele als großer Rückhalt geht er durch die Reha und lernt, auf Prothesen zu gehen. Das war sein großes Ziel. Im Rollstuhl wollte er nicht enden. „So lange du Träume hast, du Dinge erledigen musst, bist du glücklich. Verändere deine Niederlagen in deine Chancen“ - das ist Zanardis Motto.

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