Paralympics:Platz zwei mit neuer Paralympics-Generation

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Krasnaja Poljana (dpa) - Deutschlands neue Paralympics-Generation hat es allen gezeigt: Angeführt von Fünffach-Siegerin Anna Schaffelhuber stürmte das deutsche Team bei den Spielen von Sotschi mit jugendlichem Elan, Frauen-Power und insgesamt 15 Medaillen auf Platz zwei der Nationenwertung.

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Krasnaja Poljana (dpa) - Deutschlands neue Paralympics-Generation hat es allen gezeigt: Angeführt von Fünffach-Siegerin Anna Schaffelhuber stürmte das deutsche Team bei den Spielen von Sotschi mit jugendlichem Elan, Frauen-Power und insgesamt 15 Medaillen auf Platz zwei der Nationenwertung.

Neunmal Gold, fünfmal Silber, einmal Bronze - die Medaillenausbeute der nur 13 Sportler verblüffte selbst die Verbandsführung. „Das ist für mich eine Überraschung wie Sensation zugleich. Das ist eine Spitzenleistung unserer Nachwuchsathleten“, sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS).

Vier Jahre nach dem Abschied der Gold-Garanten Verena Bentele, Gerd Schönfelder und Martin Braxenthaler hat der DBS nicht nur den Umbruch geschafft. In „Gold-Anna“ Schaffelhuber hat der deutsche paralympische Sport gar ein neues Gesicht mit Starpotenzial. „Anna ist eine tolle Erscheinung. Anna kann unwahrscheinlich viel. Anna ist blitzgescheit, kommt unwahrscheinlich sympathisch rüber und fährt mit einer Präzision den Hang hinunter, dass der Weltelite nichts anderes bleibt als hinterher zu fahren“, lobte Beucher das Covergirl.

Nach dem medaillenlosen Samstag schlugen die deutschen Frauen wenige Stunden vor der Abschlussfeier in Sotschi noch einmal zu. In Rosa Chutor machte Anna Schaffelhuber im Riesenslalom mit dem fünften Gold im fünften Rennen ihren Siegeszug perfekt und krönte sich zur Alpin-Königin von Sotschi. „Ich wusste, dass in jeder Diziplin Gold möglich ist. Am meisten bin ich gespannt, wenn ich aus dem Traum in die Wirklichkeit zurückkomme“, meinte sie. Anna-Lena Forster wurde im gleichen Rennen Dritte. In der stehenden Klasse gewann Fahnenträgerin Andrea Rothfuss mit Silber ebenso ihre dritte Medaille wie Forster.

Andrea Eskau landete nach einer Woche mit Höhen und Tiefen im 5-Kilometer-Rennen mit dem Ski-Schlitten einen unerwarteten Gold-Coup. Damit gelangen ihr Paralympicssiege in drei Disziplinen: Mit dem Handbike im Sommer sowie im Biathlon und Langlauf im Winter. „Das ist ein unglaubliches Gefühl. Ich bin gesegnet“, meinte sie.

In der sportlichen Bilanz stand nur das überragende Team Russlands vor den Deutschen. Der Gastgeber dominierte in den Biathlon- und Langlauf-Entscheidungen. Wie bei den Olympischen Spielen präsentierte sich Russland als Sportmacht von früherem Format und sammelte in 72 Entscheidungen unfassbare 80 Medaillen (30 x Gold, 28 x Silber, 22 x Bronze). Zum Vergleich: Bei den Sommerspielen in London 2012 gewann Deutschland bei 503 Wettbewerben 66 Medaillen. Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), lobte die Winter-Spiele „als beste jemals“ und erklärte sie um 21.35 Uhr Ortszeit (18.35 Uhr MEZ) für beendet.

Ständiger Begleiter der Spiele war der politische Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Die im Vorfeld heftigen Proteste klangen zwar ab, verschwanden aber nie ganz - und kehrten vor dem Krim-Referendum und der Schlussfeier zu den Spielen zurück. Der ukrainische Verbandspräsident Waleri Suskjewitsch, der sich am Samstag am Rande der Wettkämpfe erneut mit Russlands Staatschef Wladimir Putin getroffen hatte, äußerte große Sorge. „In den kommenden Tagen nach den Paralympics hoffen wir weiter auf Frieden für unser Vaterland“, sagte er bei einem Empfang im Deutschen Haus. Sein Team kam hinter Kanada (7/2/7) auf Rang vier der Nationenwertung (5/9/11) und bei der Anzahl der Medaillen gar auf Platz zwei.

Zum Finale gab es gar noch einen Affront gegenüber der Ukraine: Am Tag des Krim-Referendums erlaubte das IPC abweichend von den eigenen Regeln Russlands Vize-Ministerpräsidenten Dmitri Kosak, das Schlusswort der Organisatoren zu halten. Dass er während der Schlussfeier anstelle von Organisationschef Dmitri Tschernyschenko rede, sei eine „besondere Ausnahme“, teilte das IPC mit.

Anna Schaffelhuber (21), Anja Wicker (22), Andrea Rothfuss (24), Andrea Eskau (42), Anna-Lena Forster (18) - das „A-Team“, das alle deutschen Medaillen holte, ist im Schnitt gerade einmal 25,4 Jahre alt. Dabei hebt die querschnittgelähmte Eskau den Durchschnitt, doch ein Ende ihrer Karriere ist nicht in Sicht. Bis Rio de Janeiro 2016 will sie weitermachen und dort mit dem Handbike ihre Paralympicssiege von London möglichst wiederholen.

„Unsere junge Generation ist so herrlich unbekümmert. Das ist eine unglaubliche Grundlage für zukünftige Erfolge. Und Andrea Eskau gehört trotz ihres Alters nicht zum alten Eisen“, befand der DBS-Chef und fügte an: „Wir können wegen der guten Leistungen unserer Athleten und der Teams, die hinter ihnen stehen, mit Stolz geschwellter Brust in die Abschlussfeier spazieren.“

Den Schwung von Sotschi will der Verband nun nutzen. Nachdem die Sporthilfe Paralympicsssieger erstmals wie Olympiasieger mit 20 000 Euro prämiert, sollen mit Blick auf die Paralympics in Rio 2016 und Pyeongchang 2018 weitere Anreize folgen. „Wir brauchen, um die Strukturen professionell zu erhalten, noch mehr Unterstützung. Wir brauchen mehr Geld, wir brauchen mehr paralympische Stützpunkte, aber wir brauchen auch die Athleten, die den Weg dorthin finden. Das ist die Herausforderung für den DBS vor Rio und Pyeongchang“, sagte Friedhelm Julius Beucher.

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