Paralympics:Bestleistung ohne Chance: Radsportler Winkler gefeiert

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Rio de Janeiro (dpa) - Am Ende stand Erich Winkler auf der Holzbahn im Velodrom, nahm die Ovationen entgegen und verbeugte sich vor den Zuschauern wie ein Dirigent vor seinem Publikum.

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Rio de Janeiro (dpa) - Am Ende stand Erich Winkler auf der Holzbahn im Velodrom, nahm die Ovationen entgegen und verbeugte sich vor den Zuschauern wie ein Dirigent vor seinem Publikum.

Trotz Platz vier war der Radsportler am Freitag bei den Paralympics in Rio nicht nur für seinen neunköpfigen Fanclub auf den Rängen ein Hero de Janeiro. „Das krönende Ende ist mir leider versagt geblieben“, sagte er nach dem verlorenen Rennen um Platz drei in der 3000-Meter-Einzelverfolgung.

Dennoch war seine Leistung beeindruckend. Als Amputierter hatte der 48 Jahre alte Bayer Kontrahenten Paroli geboten, gegen die er aufgrund seiner Behinderung eigentlich keine Chance hatte. Er hatte das Publikum begeistert, als er in der Qualifikation einem technischen Malheur zum Trotz im zweiten Anlauf mit persönlicher Bestzeit von 4:02,658 Minuten ins kleine Finale gerast.

Im Medaillenrennen kam dann, was Winkler befürchtet hatte: Sein Gegner Arnoud Nijhuis aus den Niederlanden holte ihn nach nur 45 Sekunden ein, das Rennen wurde mit einem Schuss beendet. Schluss, vorbei, Medaille futsch.

Mit dem feinen Gespür für Fairness hatten die Zuschauer mitbekommen: Da stimmt doch etwas nicht. „Klassifizierung ist immer ein Thema“, sagte Winkler. Er war unter den Top Vier der einzige Amputierte. Ihm fehlen seit einem Motorradunfall 2001 der rechte Arm und der linke Unterschenkel.

Sieger Zhangyu Li aus China, Ross Wilson aus Kanada auf Platz zwei und eben Nijhuis haben neurologische Behinderungen oder Bewegungsstörungen. „Die starten auf alle Fälle mit zwei Armen und zwei Beinen und haben eben die Kraft. Das ist doch klar, dass die auf so kurze Distanz, wenn die nicht auf Ausdauer trainieren, ganz andere Möglichkeiten haben“, erklärte Winkler.

In der Hinsicht ist er sich mit seinem Freund und sportlichen Kontrahenten Michael Teuber einig: Die Zusammenlegung verschiedener Behinderungsgruppen in eine Startklasse sorgt für Benachteiligungen. „Es fahren Äpfel gegen Birnen“, sagte Teuber. Er hat eine inkomplette Lähmung beider Beine und wurde in der Ausscheidung Fünfter.

Winkler war besser denn je und dennoch chancenlos. „Ich kann mich nicht einmal ärgern, denn ich kann nicht besser. Meine Möglichkeiten sind da begrenzt. Ich habe einen schnelleren Start gemacht, aber das ist nicht vergleichbar“, sagte der Fachübungsleiter für Rehasport. Wenn schon die Startklassen so bleiben sollen, müssten wenigstens die Rennen wie in der Qualifikation über die gesamte Distanz gehen und nicht vorher abgeschossen werden, regte er an.

Teuber, 2004 in Athen noch Paralympics-Sieger in der Einzelverfolgung, hat einen anderen Ansatz. Menschen mit nicht vergleichbaren Handicaps gegeneinander antreten zu lassen, sei kein sportlicher Wettkampf mehr. „Das ist Absurdistan“, betonte der 48-Jährige.

Er gilt bereits seit Jahren als Klassifizierungskritiker. Die Tatsache, dass zum Beispiel der Amerikaner William Lister in diesem Jahr von der Klasse der leichter Behinderten in die der schwerer Gehandicapten umklassifiziert wurde und nun im Straßenrennen gegen Winkler und Teuber antritt, wirft unter den Athleten Fragen auf. „Es ist in meinen Augen ein Unding, einen Sportler so kurz vor dem bedeutendsten Event des Rennkalenders umzuklassifizieren“, monierte Teuber, der auch Landestrainer Paracycling im Behindertensportverband Bayern.

Auch wenn er dem Kontrahenten nichts Böses unterstellen will: „Es kann Manipulationen geben, das kann in Richtung Klassifizierungsbetrug gehen, ähnlich wie Doping, ist aber schwer zu erkennen und kaum zu beweisen“, sagte Teuber und forderte: „Deshalb brauchen wir bestens qualifizierte Ärzte als Klassifizierer.“

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