Niedersachsen:Campst du noch oder wohnst du schon?

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Leben im eigenen Häuschen auf dem Campingplatz? Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg muss entscheiden, ob das legal ist. (Foto: dpa)

In einem kleinen Ort in Niedersachsen gibt es Ärger um ein paar Holzhäuser in einem Erholungsgebiet. Was nach einer Provinzposse klingt, führt zu der Frage, wie weit Dauercamping gehen darf.

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Wenn man an einem Sommerabend im Liegestuhl an der Elbe sitzt, vielleicht mit einem kühlen Bier in der Hand, vielleicht mit den letzten Strahlen der Abendsonne im Gesicht, dann geht es um Erholung, dann ist Paragraf elf der Baunutzungsverordnung vermutlich ganz weit weg. Zwei Campingplätze gibt es in Drage, etwa 40 Kilometer südöstlich von Hamburg: den von Norbert Kloodt und gleich nebenan den der Familie Land. Auf den jeweiligen Internetseiten kann man sich Bilder ansehen: der Elbstrand, die kleine Bootsanlegestelle, das mit Schilf bewachsene Ufer, Wohnmobile im Sonnenlicht, dazwischen Bäume, alles top gepflegt, mit allen Annehmlichkeiten, aber trotzdem ganz nah an der Natur.

In dieser Idylle gibt es nun seit zwei Jahren einen Streit, der an diesem Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg verhandelt worden ist. Es geht um Dauercamper, die ständig auf dem Campingplatz leben und dort auch ihren Erstwohnsitz angemeldet haben. Kloodt verpachtet ihnen Parzellen, auf denen sie ein Holzhaus mit maximal 65 Quadratmeter Wohnfläche errichten dürfen. Etwa 300 Personen leben auf seiner Anlage in solchen Unterkünften. Mit traditionellem Camping in Zelten oder Wohnmobilen hat das nur noch wenig zu tun - es ist vielmehr eine Alternative zum Einfamilienhaus, nur eben deutlich günstiger und dennoch in bester Lage.

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Kloodt spricht von "integriertem Wohnen in der touristischen Gemeinschaft" und beruft sich damit auf eben jenen elften Paragrafen der Baunutzungsverordnung. 20 000 Gäste aus 25 Nationen kämen jedes Jahr auf seine Anlage, die mit fünf Sternen klassifiziert ist und bereits jetzt 30 Hektar groß ist. "Wir wollen den Tourismusbetrieb erhalten und ausbauen", sagt Kloodt. Der Campingplatz-Betreiber, der auch stellvertretender Bürgermeister in Drage ist, sieht sich im Recht. Tatsächlich entspricht seine Haussiedlung dem Bebauungsplan der Gemeinde.

Doch genau gegen diesen Bebauungsplan haben zwei Anwohner geklagt - und jetzt recht bekommen. Das Gericht sagt: Die Mischung von Ferienunterkünften und Gebäuden zum dauerhaften Wohnung ist nicht zulässig. Daran ändere auch der Versuch nichts, mit dem "integrierten Wohnen in der touristischen Gemeinschaft" eine neue Wohnform zu definieren.

Eine der Klägerinnen ist die Schwester von Christian Land, der gemeinsam mit seiner Frau den anderen Campingplatz direkt nebenan betreibt. "Moin", sagt der zur Begrüßung am Telefon. Früher sei das Verhältnis zu seinem Nachbarn gut gewesen, doch seit zwei Jahren liege man im Clinch, weil Kloodt sich mit dem Gemeinderat eine "Regelung zurechtgebastelt" habe, um immer mehr Häuser aufstellen zu können. Das widerspreche dem Charakter des Gebietes am Elbdeich, wo Gäste vor allem Ruhe vom Lärm der Großstadt suchten.

Die Kläger befürchten mehr Autoverkehr, wenn Kloodts Siedlung größer wird. Was nach Provinzposse und Nachbarschaftsstreit klingt, führt in die Tiefen des deutschen Rechts. Dort ist festgehalten, was hierzulande auf Campingplätzen gestattet ist: Ein Wohnmobil über einen längeren Zeitraum auf einem dafür vorgesehenen Platz stehen lassen, ein Vorzelt davor errichten, vielleicht einen Grill aufstellen oder eine Hecke drumherum pflanzen - selbstverständlich erlaubt. Seinen Erstwohnsitz auf einem Campingplatz anmelden - prinzipiell auch erlaubt. Dauerhaft dort wohnen und keine andere Wohnung mehr unterhalten - leider nicht erlaubt, jedenfalls nicht in Erholungsgebieten, in denen die Campingplätze fast immer liegen.

Einige Gemeinden verfahren aber nach dem Prinzip "Wo kein Kläger, da kein Richter" und tolerieren die Dauercamper. Es sind oft nur eine Handvoll Menschen, die tatsächlich das ganze Jahr auf einer Anlage verbringen. Die meisten Dauercamper lassen zwar ihr Wohnmobil ständig auf dem Campingplatz, weil es ohnehin irgendwo abgestellt werden muss, kommen aber selbst nur am Wochenende und ein paar Mal im Jahr für einen längeren Urlaub.

Für Norbert Kloodt ist das Urteil eine Niederlage. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht haben die Richter in Lüneburg nicht zugelassen. Ob die Dauerbewohner in den Holzhäusern langfristig ausziehen müssen oder Bestandsschutz genießen, ist unklar. Was die Dauercamper angeht, bleibt das deutsche Recht kompliziert.

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Tipp: Lesen Sie mit SZ Plus eine Reportage von Seite-Drei-Autor Holger Gertz über niederländische Dauercamper im Sauerland. Sie ist im Sommer 2007 erschienen, aber zeitlos lesenswert.

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