An diesem Sonntag geschieht historisches: Die Ehe für alle wird Gesetz. Ab heute müssen sich Schwule und Lesben nicht mehr mit der 2001 eingeführten Verpartnerung begnügen. Sie kriegen das Original, die echte Ehe. In den Augen der allermeisten Menschen hierzulande eine längt überfällige Entwicklung. Tatsächlich werden nur wenige Paare heute heiraten. Es ist Sonntag und die meisten Standesämter haben geschlossen. Nur vereinzelt machen Städte wie etwa Hamburg, Hannover und Berlin eine Ausnahme. Etwa 43 000 Lebenspartnerschaften gibt es in Deutschland. Wer will, kann diese nun in eine Ehe umwandeln lassen. Wer noch nicht verpartnert ist, kann nur noch heiraten. Die Verpartnerung wird damit nach 16 Jahren wohl bald Geschichte sein. Was das bedeutet? Erfährt man am besten, wenn man die Menschen fragt, die von dem neuen Gesetz betroffen sind.
Schockverliebt: Conrad Breyer und Stanislav Mishchenko
1995 hat sich Conrad Breyer zum ersten Mal für die Ehe für alle stark gemacht, die damals noch Homo-Ehe hieß. In Passau war das, er war Student, sammelte Unterschriften, weil er sich für etwas stark machen wollte, das er wichtig fand - an dessen tatsächliches Eintreten er aber nicht so recht glaubte. Mehr als zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Und jetzt, im Oktober, wird er tatsächlich "den Stas" heiraten, so nennt er den Mann, in den er sich 2012 verliebt hat. Breyer schaut konzentriert, wenn er erzählt, fährt sich durch das dunkle Haar, den breiten silbernen Ehering am rechten Ringfinger, und grinst dann: "Schockverliebt, auf den ersten Blick, um genau zu sein."
Dass jetzt alles so schnell gehen würde mit der Ehe für alle, damit hatten beide nicht gerechnet. Der 44-Jährige Journalist aus München, der schon früh offen mit seiner Homosexualität umging, 20 Jahre mit einem anderen Mann zusammen war und neben seinem Job beim Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München als Pressereferent tätig ist. Und Stanislav Mishchenko, 34, Fotograf, Designer und Komponist aus der Ukraine, der in seiner Heimat schon mal für drei Jahre eine Ehe geführt hat. Mit einer Frau, um sein Schwulsein "wegzuheiraten". Der dann aber erkannte, dass er so nicht würde leben können, und sich in der LGBTI-Bewegung in Kiew engagierte. 2013 hatte er sein Coming Out im Fernsehen, als er zur ersten Gay Pride-Veranstaltung in der Stadt interviewt wurde. Die Mutter sah den Bericht. Sie habe geweint, erzählt das Paar. Nicht aus Enttäuschung, sondern weil sie sich um den Jungen sorgte, der es in der Heimat nicht leicht haben würde mit seiner sexuellen Orientierung. Der Junge, Mishchenko, ist ein bisschen größer als Breyer, scherzt gerne über den Altersunterschied, der ihm nicht von Anfang an klar gewesen sei. In der Ukraine sähen die Leute älter aus, weil alle zu viel rauchen.
Seit Januar sind sie nun verpartnert. Die Entscheidung kam ein bisschen aus der Not heraus, weil Mishchenko für sich keine Zukunft in der Heimat mehr sah, sie wollten zusammenleben, aber für ein Leben in Deutschland fehlte dem Ukrainer die Aufenthaltserlaubnis. Aber natürlich sei die Verpartnerung auch schön gewesen. Es habe sich dadurch ein ganz anderes Gefühl eingestellt, man übernehme Verantwortung füreinander, fühle sich näher als zuvor, nicht nur räumlich. "Mein Mann, mein Freund, also mein Mann", sagt Breyer, wenn er über "den Stas" spricht. Ist eben noch neu, alles.
Weil die Feier im Januar recht klein ausfiel - ein Stehempfang mit Wodka und ukrainischen Häppchen - planten sie für 14. Oktober ein "richtiges Fest". Erst geht es in die Kirche, das ist Breyer wichtig. Mishchenko nicht so sehr, aber er hat mit den Schultern gezuckt und zugestimmt. Dann Kaffee und Kuchen im Gemeindesaal, abends bayerisches Buffet. 100 Leute sind eingeladen. Und seit klar ist, dass die Ehe für alle Gesetz wird, haben sie noch einen Termin. Am 13. Oktober, einen Tag vor der großen Sause, gehen sie zu zweit zur Standesbeamtin ihres Vertrauens und lassen ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln. "Wir wollen damit ein Zeichen setzen", sagt Breyer und nickt ernst. Diese Ehe sei ein symbolischer Akt, ein politischer Akt. Und ja, romantisch sei sie natürlich auch.
Felicitas Kock