Gut möglich, dass die Sicht auf das Alter zyklisch zwischen Bedrohung und Bereicherung schwankt. Gut möglich auch, dass nach der Welle der Superweiber und Supernannys mal wieder die Welle der Supergreise auf den medialen Marktplatz schwappt. Sicher ist jedoch, dass sich die Lebenswirklichkeit der über 65-Jährigen (und zu ihnen gehört mittlerweile jeder fünfte Deutsche) geändert hat - hin zu mehr Selbstbestimmtheit, mehr Genuss, mehr Spaß.
Vorbei die Zeiten, in denen man sich vor dem Altsein fürchten musste, weil es existenzielle Qualen wie Einsamkeit, Armut und Siechtum bereithielt. Diese Phase kommt zwar, todsicher sogar, aber erst später.
Die Senioren von heute haben mit ihrer längeren Lebenserwartung eine Dekade gewonnen, die es gut zu leben gilt, und so stürzen sich jährlich Zehntausende, mit Gesundheit und einer stattlichen Rente ausgestattet, fast schon ausgelassen in den Ruhestand. Sie beginnen ein Germanistikstudium, sie helfen bei der Betreuung der Enkel mit, sie kaufen ein Wohnmobil und reisen um die Welt. Sie sind Pioniere, die neuen Alten.
Sven Kuntze beschreibt das so: "Uns hat es in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben. Wir haben zwar keine Kriege geführt, stattdessen aber Lebenszeit erobert, die nun abgelebt sein will." Das Alter sei bis ins 19. Jahrhundert hinein die seltene Ausnahme gewesen. "Welche Konsequenzen das verlängerte, anspruchsvolle Dasein nun für unsere Nachkommen, die Umwelt, die Sozialsysteme und den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben wird, ist noch nicht bedacht."
Unklar ist auch noch die richtige Bezeichnung für dieses Phänomen: Goldies, Best Agers, Silver Agers, Woopies (Well off elder generation), oder: Voralter, weil das zweite, das schmerzliche, das harte Alter nur nach hinten verschoben ist.
Zur Euphorie der Literaten über diese Generation gesellt sich die Begeisterung der Werber, die in den aktiven Senioren eine zahlungskräftige Zielgruppe ausgemacht hat. Es ist Potential, das genutzt werden will, und so hat auch die Politik die neuen Alten im Visier.
Die Studie "Ältere Menschen in Deutschland und Europa", die das Bundesfamilienministerium im Juni auf seine Webseite gestellt hat, wird von einem attraktiven, grauhaarigen Paar und der Mahnung geschmückt, beim Stichwort Alter nicht immer an Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit zu denken, sondern, im Gegenteil, an "Chancen und Potenziale".
Kein Wunder: Nur vier Prozent der 55- bis 85-Jährigen geben dem Deutschen Alterssurvey zufolge bei der Frage nach der Lebenszufriedenheit an, diese sei "eher niedrig".