Das Gebäude war zehn Etagen hoch, 22 Meter breit und 145 Meter lang. Es war das Außenministerium der DDR, der größten DDR der Welt, wie die eigenen Bürger spotteten. Ich war dort dreimal in meinem Leben. Das erste Mal Anfang 1989, als ich meine Akkreditierung als Korrespondentin der amerikanischen Nachrichtenagentur AP in der DDR abholte. Ein wichtiger Posten, aber anbiedern wollte ich mich nicht: Ich fuhr mit meinem alten Fiat vor, angerostet und mit hängendem Auspuff.
Und ich trug das, was ich sonst auch trug: rote Stiefel und gestreifte Hosen. Die für mich zuständige Dame zog die Augenbrauen hoch und übergab mir die Akkreditierung, verbunden mit der strengen Aufforderung, unvoreingenommen und fair über die DDR zu berichten.
Das hatte ich vor: Ich war 28 Jahre alt, die alten Ostzonen-Hasser, die Kreml-Astrologen und kalten Krieger gingen meiner Generation auf die Nerven. Die DDR war nun einmal da, sie wurde auch durch Anführungszeichen nicht kleiner. Ich hielt viel vom Wandel durch Annäherung, den Willy Brandt und Egon Bahr ausgerufen hatten. Mir war klar, dass ich an der Nahtstelle des Kalten Krieges arbeiten würde, aber ich wollte so unvoreingenommen berichten, als wäre ich nicht nach Ost-Berlin, sondern nach Oslo geschickt worden. Ich sagte der Dame aus dem Außenministerium fröhlich zu. Klar: Aufgeschlossen, fair und ganz ohne Verbissenheit würde ich über ihr Land berichten. Ich ahnte nicht, was kommen würde.
Ich sei offenbar nicht gewillt, objektiv über die DDR zu berichten, fand das Ministerium
Also fuhr ich los - in die Lippenstiftfabrik, in der die DDR-Kosmetikmarke Florena die Action-Serie herstellte, knallrosa, Bananenduft, extra herausgegeben, um die Jugend der DDR von Westprodukten abzulenken. Ein Renner. Ich fuhr zur Mecklenburgischen Seenplatte und stellte die harmlose Frage, wie viele Kläranlagen sie hätten - was bei Bürgermeister, Parteisekretär und dem grauen Mann ohne Berufsbezeichnung auf irritiertes Unverständnis stieß.
Ich erfuhr auf der Werft in Wismar, dass Kranführer in der DDR ein typischer Frauenberuf war. Mit dem Fiat fuhr ich beschwingt durch die Alleen, die im Westen längst abgeholzt waren. Ich hatte nur eine Sorge: Wo kriege ich bleifreies Benzin her?
Dann stand ein Kirchentreffen an, in Dresden. "Da müssen wir hin", sagte Karl-Heinz Baum, mein Kollege von der Frankfurter Rundschau, der seit fast 15 Jahren in der DDR arbeitete. "Da erfahren wir was." Ich war erkältet, hatte Fieber und keine Lust auf struppige Pfarrer. Wir fuhren trotzdem. Die Brücken von Dresden sah ich nur im Halbschlaf, dann stoppten wir in einem Villenviertel. Was sollten wir hier? "Wir besuchen jemanden", sagte Baum. Es war 1.30 Uhr in der Nacht, er schleppte eine fiebernde Kollegin durch die DDR und wollte Leute besuchen? Ich hielt ihn für verrückt. Dann läutete er.