Little Britain:Knapp davongekommen

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Der stets erstaunliche G. ist ein begeisterter Flieger. (Foto: dpa)

Kein normaler Mensch fliegt mit "Suckling Airways" von Terminal 1 in Dublin - außer der stets erstaunliche G. Aber auch Qualitäts-Airlines führen mit ratlosen Stewardessen bisweilen zu der Erkenntnis, dass man mal wieder knapp dem Tod entkommen ist.

Von Christian Zaschke, London

Die Stewardess stand direkt vor mir, was daran lag, dass ich in der ersten Reihe saß. Dort hatte ich noch nie gesessen, aber beim Einchecken am Dubliner Terminal 2 hatte der freundliche Schaltermann der Qualitäts-Airline überraschend gefragt: "Erste Reihe okay?" "Aber klar doch", sagte ich.

Die Stewardess leierte die vor dem Abheben üblichen Ansagen ins Bordmikrofon, abschließend sagte sie: "Ganz herzlich möchte ich Sie auch im Namen von Flugkapitän Stephen . . ." Eine Sekunde verging, zwei Sekunden, drei Sekunden. Die Stewardess dachte nach. Ich lächelte ihr angespannt zu. Nachdem eine vierte Sekunde sehr gemächlich verstrichen war, hellte ihr Blick sich auf, und sie sagte ". . . Murphy an Bord begrüßen."

Leider hatte ich beim Einchecken übersehen, dass der freundliche Schaltermann mir einen Fensterplatz zugeteilt hatte. Das hatte er bestimmt gut gemeint, aber ich mag Fensterplätze nicht. Ich gehöre zu den Passagieren, die im Flugzeug möglichst nicht daran erinnert werden möchten, dass sie sich in der Luft befinden. Nicht nur in diesem Punkt unterscheide ich mich vom stets erstaunlichen G., der ein begeisterter Flieger ist.

Am liebsten fliegt G. vom Dubliner Terminal 1, weil es dort, wie er sagt, eine Bar mit riesiger Raucherterrasse gibt. Nun muss man wissen: Kein normaler Mensch benutzt in Dublin den Terminal 1. Dort operieren ausschließlich obskure Fluggesellschaften, deren Namen noch nie jemand gehört hat. Nach seinem letzten Besuch in Dublin erzählte G., er sei mit Suckling Airways geflogen. Ich habe das geprüft. Die gibt es. Seine Stewardess, sagte G., habe Chanel geheißen. Ich nahm das zur Kenntnis.

Die Raucherterrasse am Terminal 1 findet G. dermaßen famos, dass er mir oft davon erzählt. Eigentlich immer dann, wenn ich ihn nicht mit Geschichten von meiner Wohnungssuche belästige. Und jedes, wirklich jedes Mal beschließt er seine Erzählung mit den Worten: "Der Dubliner Airport ist der letzte zivilisierte Flughafen Westeuropas." Bisher konnte ich nicht prüfen, ob es diese Bar mit Raucherterrasse wirklich gibt, geschweige denn, ob sie famos ist, da ich nicht bei obskuren Fluggesellschaften buche, deren Namen noch nie jemand gehört hat. Selbst bei Flügen mit Qualitäts-Airlines denke ich nach jeder Landung: Puh, wieder mal knapp davongekommen. So ging es mir auch diesmal nach dem Fensterplatzflug.

Die Stewardess griff das Bordmikrofon, leierte die nach der Landung üblichen Ansagen herunter und sagte abschließend: "Auch im Namen von Flugkapitän Stephen . . ." Eine Sekunde verging, zwei Sekunden, drei Sekunden. Ich lächelte ihr aufmunternd zu.

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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