Nichts anderes wollte das Kind erlernen, nicht erst einmal Gitarre oder Klarinette ausprobieren. Nein, Blockflöte sollte es sein und nichts anderes. "Willst du nach sechs Jahren Einführen in die Welt der Musik dem Kind wirklich die Freude daran verderben?", fragte der Vater süffisant. Das wollte die Mutter nicht. Also Blockflöte.
Das Kind war begeistert, vom Instrument und der wundervollen Lehrerin. Mit voller Kraft blies es in die Flöte, schrille Cs und schiefe Gs erfreuten die Nachbarschaft, es folgten Cis und Gis. Die Mutter knirschte mit den Zähnen und spendete pädagogisch wertvollen Beifall.
Doch nicht nur ihr spielte das Kind vor, auch Großeltern, Paketboten und andere Kinder wurden als Publikum für würdig befunden. Sogar das Christkind bekam eine Kostprobe durch die verschlossene Wohnzimmertür. "Es muss ihm gefallen haben, es hat ganz viele Geschenke dagelassen", sagte das Kind zufrieden und fand: Im Frühjahr war es Zeit für das erste Freiluft-Konzert.
Am ersten warmen Tag, also am ersten Tag mit Temperaturen über dem Gefrierpunkt, nahm das Kind einen Spielzeugkoffer und setzte sich an den Gehsteig. Für das Konzert hatte es ein klassisches Stück gewählt: Alle meine Entchen. Das spielte es mehr oder weniger flüssig, von vorne bis hinten. Und wieder von vorne.
Die Mutter wünschte viel Erfolg, flüchtete in die warme, ruhige Wohnung und wollte in zehn Minuten das durchgefrorene und sicher frustrierte Kind wieder holen. Doch das Kind war gar nicht enttäuscht: "Schau, ich hab schon zwei Euro verdient!"
Eine alte Dame hatte sich das Entenlied angehört und genau wissen wollen, warum das Kind dort sitze und in der Kälte spiele und ob die Eltern ihm denn kein Taschengeld zahlen würden. Dann hatte sie das Zwei-Euro-Stück in den Kinderkoffer gelegt, das Vierfache des wöchentlichen Taschengeldes.
"Mama", sagte das Kind, "da hat sich der Flötenunterricht aber gelohnt."