Kalifornien:Wem gehört die amerikanische Küste?

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Kein Mensch, soweit das Auge reicht: Martin’s Beach in Half Moon Bay in Kalifornien, ganz nach dem Geschmack von Tech-Milliardär Vinod Khosla. (Foto: Mauritius)

Ein eigenes Grundstück am Pazifik: herrlich. Wenn nur all die Menschen nicht wären, die dort baden wollen. Ein Milliardär aus Kalifornien will den Strand vor seinem Anwesen für sich haben und zieht vor den Obersten Gerichtshof.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Hach, ist das nicht herrlich hier? Diese Sonne, diese Wellen, dieser Strand! Wie wunderschön wäre es hier, wenn es nicht andere Leute auch so wunderschön hier finden würden. Können die nicht woanders hin? Kann man die nicht irgendwie vertreiben oder aussperren? Nun, es gibt da schon eine Möglichkeit: Wer genügend Geld hat, der kauft sich so ein prächtiges Stückchen Erde und baut einen Zaun oder gar eine Mauer drum herum, damit es niemand sonst durch Anwesenheit verschandeln kann. Unberührte Natur ist nur dann unberührt genug, wenn man sie möglichst nur selbst berühren darf.

Genau das versucht der amerikanischen Tech-Milliardär Vinod Khosla mit seinem Grundstück an der Pazifikküste im Norden Kaliforniens. Nach erfolglosen Versuchen bei mehreren Gerichten hat er nun Klage vor dem Supreme Court eingereicht, dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Auf 151 Seiten begründet Khosla, warum der California Coastal Act seiner Meinung nach gegen die amerikanische Verfassung verstößt. Das Gesetz legt seit mehreren Jahrzehnten fest, dass der Zugang zum Ozean zu den Grundrechten jedes Menschen gehöre; außerdem verhindert es die Trockenlegung von Sümpfen und den Bau überdimensionaler Hotels entlang der kalifornischen Küste. Eine erfolgreiche Klage von Khosla könnte deshalb gravierende Auswirkungen haben.

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"Es geht nicht nur um diesen Strand im Bezirk San Mateo, sondern letztlich um die komplette Küste der USA. Khosla klagt nicht nur für sich und sein Grundstück, sondern letztlich gegen das komplette Gesetz", sagt Joe Cotchett. Er ist Anwalt der Surfrider Foundation, einer Vereinigung von Surfern, die Khosla derzeit auf Zugang zu Strand und Wellen verklagt: "Seine Klage vor dem Supreme Court zielt auf das Herz unserer Gesellschaft ab, sie ist frech und arrogant."

Der gebürtige Inder Khosla, 63, hat einst das Tech-Unternehmen Sun Microsystems gegründet, vor zehn Jahren hat er für 32,5 Millionen Dollar das 36 Hektar große Grundstück südlich der Kleinstadt Half Moon Bay von der Deeney-Familie gekauft. Die hatte Besuchern beinahe 100 Jahre lang für 25 Cent Eintritt Zugang zur Küste gewährt und im Gegenzug Parkplätze und öffentliche Toiletten bereitgestellt. Khosla hatte den Preis zunächst auf zehn Dollar erhöht, im Jahr 2010 jedoch den Betrieb eingestellt - wegen "signifikanter Verluste", wie es nun in der Klageschrift heißt. Er hat ein Tor bauen und ein Schild anbringen lassen, das Besuchern mitteilt, doch bitteschön umzukehren. Seitdem gibt es Klagen von ihm und gegen ihn, stets verbunden mit den beiden bedeutsamen Fragen: Ist der Zugang zur Küste tatsächlich ein Grundrecht - und wer bestimmt darüber, was das überhaupt bedeutet: Zugang zur Küste?

Nach kalifornischem Gesetz gehört der Strand innerhalb Mean High Tide Line der Öffentlichkeit. Das bedeutet, dass die Leute dort spazieren, picknicken und baden dürfen, wo der Sand feucht ist. Nur: Sie müssen ja auch irgendwie dorthin kommen. Der Musikproduzent David Geffen wehrte sich 22 Jahre lang juristisch gegen Besucher vor seinem Haus am Strand von Malibu, er foppte sie sogar mit der Attrappe einer Garage - am Ende musste er seine Tore doch öffnen und den Leuten Zugang zum sogenannten "Billionaires Beach" gewähren. 1987 allerdings entschied der Oberste Gerichtshof zugunsten eines Hausbesitzers westlich von Malibu, der dagegen geklagt hatte, dass Leute über sein Grundstück laufen, um an den Strand zu gelangen. Khosla stellt nun infrage, dass der Bundesstaat Kalifornien den Zugang zum Strand regeln sollte.

Er nennt die derzeitige Regelung "orwellianisch" und begründet seine Klage damit, dass Privateigentum der Öffentlichkeit nicht ohne Gegenleistung bereitgestellt werden könne. Tatsächlich ist die Zufahrt über sein Grundstück die derzeit einzige vernünftige Möglichkeit, zu den für Surfer so grandiosen Wellen zu gelangen. Es sei gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten, dass ihn der Coastal Act dazu zwinge, diesen Weg und damit sein Grundstück der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Kalifornier brauchen zum Leben nicht viel mehr als Sonne, Strand und Wellen

Aufgrund seines Vermögens von geschätzten zwei Milliarden Dollar kann Khosla es sich nicht nur leisten, das Tor zum Strand geschlossen zu halten, obwohl die kalifornische Küstenverwaltung seit vergangenem Herbst eine Strafe von 11 250 Dollar pro Tag ausgerufen hat. Er beschäftigt außerdem den Anwalt Paul Clement, der bereits unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush gedient hat und sich selbst dafür rühmt, mehr Fälle vor den Obersten Gerichtshof gebracht zu haben als jeder seiner Kollegen. Vier von neun Stimmen genügen für die Aufnahme eines Verfahrens, Clement soll über formidable Kontakte zu den konservativ eingeschätzten Richtern des Obersten Gerichtshofes verfügen. Eine Entscheidung soll in den kommenden Wochen fallen.

Bleibt die Frage, was passiert, wenn Khosla mit seiner Klage tatsächlich erfolgreich ist. Experten rechnen mit massiven Veränderungen für Küste und Lebensgefühl an der Pazifikküste. Die Kalifornier rühmen sich gerne dafür, dass sie die Welt ganz in Ordnung finden, so wie sie ist. Sie behaupten, dass es zum Leben nicht viel mehr brauche als Sonne, Strand und Wellen - und das soll auch jeder genießen dürfen, ob er nun Milliardär ist oder nicht.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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