Heiraten:Wenn die Torte per Heli kommt

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Hat neben ihrem Büro in Hamburg auch noch eines auf Mallorca: Nadine Metgenberg (Foto: Patrick Ohligschlaeger)

Nadine Metgenberg organisiert Luxus-Hochzeiten. Ihre Kunden bezahlen die Weddingplanerin vor allem dafür, dass sie sich für ihre Wünsche nicht genieren müssen.

Von Violetta Simon

Die Stimmung könnte nicht besser sein, zumindest bei den sechs Junggesellenabschieden an Bord der Eurowings-Maschine. Verlängertes Wochenende auf Mallorca: Grüppchen in Bierdunst, Motto-Shirts, roten Frottee-Bademänteln und Adiletten schieben sich auf dem Mittelgang nach hinten. Reihe 23, aufblasbare Palmen auf den Köpfen, singt Hasselhoffs Hit "I've been looking for freedom", eine junge Frau mit Miniaturschleier dirigiert. Eine letzte Reise "in Freiheit".

Nadine Metgenberg ist ein paar Tage zuvor in Palma de Mallorca gelandet. Auch die 43-Jährige ist im Auftrag einer Braut auf die Insel gereist - allerdings in eine völlig andere Welt. Aufblasbare Palmen gibt es in Metgenbergs Kosmos nicht. Sie organisiert für ihre Kunden ausschließlich echte Palmen, auf Wunsch auch einen ganzen Palmengarten, was Menschen eben so haben wollen am schönsten Tag ihres Lebens.

Wer Luxus verkauft, muss ihn kennen

Metgenberg ist Hochzeitsplanerin, im Westen der Insel hat sie ihren Zweitwohnsitz. Dort befindet sich auch die spanische Dependance ihrer Hamburger Agentur "Fine Weddings & Parties". Ihre Kunden - Adlige, Unternehmer, reiche Saudis, Industrielle und deren Erben - können sich alles kaufen, nur nicht das perfekte Hochzeitswetter. Heiraten auf der Sonneninsel ist deshalb sehr beliebt.

Wer Metgenberg bei ihrer Arbeit begleiten will, besucht sie also am besten auf Mallorca. Im Bendinat, einem Vier-Sterne-Hotel an einer versteckten Bucht südwestlich von Palma, trifft sie heute einen Fotografen. Mediterranes Flair, viele Palmen, Blumen und weiße Sonnenschirme. Im Restaurant sitzen die Gäste direkt über dem Meer auf einer Steinterrasse. Auf der Toilette beruhigen geistliche Choräle den Gast.

Das Bendinat ist sozusagen Metgenbergs Arbeitsplatz, hier hat sie schon einige Events organisiert. Diesmal geht es um eine Hochzeit im Sommer 2019. Sie plaudert auf Spanisch mit dem Oberkellner, bestellt Gazpacho vor dem Seehecht und Eiswürfel zum Verdejo. Metgenberg kennt die Hotels, in denen ihre Kunden übernachten, die Restaurants, in denen sie essen, besucht die Bälle, auf denen sie tanzen. "If you want to sell luxury, you have to know luxury", sagt sie. In den nächsten beiden Tagen wird man noch einige dieser Sätze hören.

Über ihre Kunden allerdings lässt sie nichts verlauten. Keine Namen, keine genauen Preise, keine Daten. Dieselbe Diskretion erwartet sie von jedem, der für sie arbeitet. Wird der Fotograf heute den Auftrag erhalten, muss er sämtliche Bildrechte an den Auftraggeber abtreten. Nicht auszudenken, wenn eines davon auf Pinterest oder der Webseite eines Subunternehmers erschiene. Deshalb wirbt Metgenberg auch nicht mit ihren Kunden, sie wird empfohlen. Viele buchen sie wieder - zur Taufe des ersten Kindes, zum runden Geburtstag, der nächsten Ehe.

10 000 Euro - dafür gibt es nicht einmal Blumen

Wie viel das kostet? Geld ist bei Metgenbergs Klientel eher Nebensache. Für die 10 000 Euro, die deutsche Paare im Schnitt für ihre Hochzeit ausgeben, würde man bei Fine Weddings nicht einmal die Blumendeko bekommen. Die Kosten liegen meist im sechsstelligen Bereich, Grenze nach oben: offen. Der höchste Budgettreiber ist neben Deko und Musik, das Catering. Knapp 30 Prozent gehen dafür drauf. "In keinem Bereich verbrennt das Geld so schnell, 10 000 Euro für Essen sind da weg wie nix", sagt Metgenberg. Den halben Seehecht lässt sie mit Kompliment an die Küche zurückgehen, die Kartoffeln bleiben unberührt. 20 Prozent des Gesamtbudgets fließen an sie.

Das erste Gespräch mit dem Brautpaar findet etwa 18 Monate vor dem Hochzeitstermin statt, eiserne Regel: nie vor 17 Uhr. Bei Champagner spricht es sich angenehmer über die oft ausgefallenen Wünsche der Gäste. Ob ein Hologramm von Udo Jürgens an der Hochzeitstafel, Zigarren rollende Kubanerinnen im Vorgarten oder Kamele mit Beduinenzelt auf Sand - nichts ist zu extravagant. Will die Brautmutter eine Torte, die es nur in Portugal gibt? Kriegt sie. Notfalls lässt Metgenberg sie aus Lissabon einfliegen.

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"Der Kunde hat die Idee und kauft mich, damit ich sie für ihn umsetze. Oder ich habe die Idee, dann bezahlt er mich dafür." Champagner aus dem Brunnen - kann jeder. Lieber lässt sie auf einem Trapez unter der Decke eine Artistin mit Champagnerflasche schaukeln, die sich bei Bedarf kopfüber dazu herablässt, den Gästen nachzuschenken. Vor allem aber wird sie dafür bezahlt, dass sie ihren Kunden den Organisationsstress erspart. Hochzeit auf Hawaii, in Venedig, auf Fuerteventura? Gehört zum Standardprogramm. "Concentrate on your dress, not the stress."

Träume auf diesem Niveau zu erfüllen braucht Zeit. Höchstens zehn Hochzeiten übernimmt Metgenberg deshalb pro Jahr. Außerdem ist sie ja auch noch Mutter von vier Kindern - und alleinerziehend. Als ihr zweiter Mann, Vater ihrer beiden jüngeren Kinder, vor zwei Jahren starb, hatte sie gerade Fine Weddings gegründet. Jahrelang hatte die Betriebswirtin zuvor als Eventplanerin für eine Stiftung in Argentinien gearbeitet, später für Weddingplaner in England und Deutschland. "Ich war wirklich kurz davor aufzugeben." Doch sie machte weiter. Und hat es geschafft. Heute gehört sie als einzige Deutsche dem US-Netzwerk Epic an, das auf Luxus-Events spezialisiert ist.

Woher ihr Erfolg kommt? Metgenbergs Antwort: "24/7 erreichbar sein, alles möglich machen, absolute Diskretion." Die Zeitfresser Fernsehen und Sport hat sie längst abgeschafft. Die viel wichtigere Antwort aber ist: Die Rheinländerin ist eine Menschenfängerin, ein "Soulscanner", wie Freunde über sie sagen. Wer Zeit mit ihr verbringt, hat schnell das Gefühl, eine alte Bekannte zu treffen. Höfliche Distanz liegt ihr nicht, sie stellt sich mit Vornamen vor. Eine Quandt-Erbin lernte sie an einer Bushaltestelle kennen, Philippe Sereys de Rothschild und die Taittingers kann sie jederzeit anrufen.

Glamour, Partys, tolle Locations, und dafür noch das Geld der anderen ausgeben - ein Traum, denken viele. Jede Woche erhält Metgenberg bis zu zehn Bewerbungen von jungen Frauen. Ihre sechs Mitarbeiter wissen, wie weit diese Vorstellung von der Realität entfernt ist. Am großen Tag begleitet ihr Team den gesamten Ablauf in Abendgarderobe mit Klemmbrett und Headset. Metgenberg und ihre Assistenten kümmern sich darum, dass alle Dienstleister und deren Mitarbeiter, oft bis zu 200 Personen, wissen, was zu tun ist. Und zwar zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Sieht man die Personen auf der Bühne von jedem Platz aus? Blendet ein Scheinwerfer das Brautpaar?

Dass Metgenberg ihre Arbeit mit viel Herzblut macht, spürt man, wenn sie davon erzählt. Manchmal springt sie auf und spielt spontan eine Szene nach, etwa beim Besuch einer ihrer Lieblings-Locations, dem Fünf-Sterne-Hotel St. Regis Mardavall. Eine Hochzeit im vergangenen Sommer, Auftritt der Braut in Wahnsinnsrobe auf der prachtvollen Außentreppe: Metgenberg schreitet die Stufen herab, hebt den Saum eines imaginären Kleides an. Am Fußende warteten Bräutigam und Hochzeitsgesellschaft. Ein Moment der Vollkommenheit.

Der Fotograf steht in so einem Moment - nein, nicht am unteren Ende der Treppe -, Metgenberg umkreist schnell ein Beet und duckt sich mit angedeuteter Kamera zwischen zwei Olivenbäumchen durch. "Sehen Sie? Von hier aus kommt die Szene voll zur Geltung. Da kriege ich heute noch Gänsehaut." Sagt's und springt zehn Meter hinüber unter einen Torbogen aus Bougainvilleas, die zu dieser Jahreszeit noch grün, am Tag der Hochzeit aber selbstverständlich pinkfarben leuchteten.

Überhaupt, Blumen und das perfekte Timing: Allein an der Tischdekoration für etwa hundert Gäste arbeitet ein zehnköpfiges Team im Schnitt acht Stunden. Wenn es so weit ist, muss jede Blume sich in vollkommener Schönheit entfalten, notfalls wird nachgeholfen. Es gibt ein Youtube-Video, auf dem zu sehen ist, wie die Floristinnen, in Metgenbergs Auftrag die Blumendekoration für ein Gala-Diner in einem Florentiner Palazzo vorbereiten: auf jede einzelne Rosenblüte pusten, behutsam mit dem Zeigefinger hineinfahren und kleine Kreise um den Stempel ziehen, damit sich die Blütenblätter pünktlich zum Termin öffnen.

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Solche Kostbarkeiten bezieht Metgenberg nicht beim Blumenhändler. Sie arbeitet mit internationalen Blumendesignern zusammen, die sich als Stylisten verstehen. Für die Auswahl trifft sie am Nachmittag ein Brautpaar im Gewerbegebiet von Mallorca, die Arbeiter in den klimatisierten Lagerhallen tragen dicke Jacken. Frische Blumen müssen wegen der Hitze importiert werden. Auch der Transport zur Hochzeit erfolgt im Kühlwagen, die Gestecke werden permanent besprüht. Wenn dann ein Container Rosen im Zoll auf dem Festland stecken bleibt, wird es eng. Der Kunde darf davon nichts mitbekommen. "Always happy face to the client."

Für die Planung empfiehlt Metgenberg, genau ein Jahr zuvor die Save-the- Date-Karte zu verschicken - im Büttenpapierumschlag, die Adresse handgeschrieben, in Kalligrafie, fünf Euro das Stück. "Da weiß der Gast, womit er rechnen kann."

Kommt einem das, wenn man recht bodenständig in einer Großfamilie auf dem Dorf aufgewachsen ist, nicht manchmal ziemlich abgehoben vor? Metgenberg lächelt. "Dass woanders Kinder hungern, während wir Kuchen mit dem Heli einschweben lassen, ist mir natürlich bewusst." Aber das sei kein Grund, den Kunden ihre Wünsche abzuschlagen. "Ich werde niemanden erziehen." Außerdem engagiere sich in diesen Kreisen wirklich jeder gesellschaftlich. Auch Metgenberg hat eine Sozialstiftung gegründet, gibt Schmink-Seminare für Krebspatientinnen und hat die Vormundschaft für ein afghanisches Mädchen übernommen.

"Hauptsache, er zeigt, dass er sich für sie ins Zeug legt."

Am nächsten Morgen steht ein Termin bei den Behörden an. Einmal im Jahr vergeben sie die Lizenz, in einem alten Fort am Meer zu feiern. Dort darf die Musik die ganze Nacht laufen. Wegen der strengen Lärmschutzgesetze sind solche Gelegenheiten begehrt, Metgenbergs Kunden mieten sonst auch mal ein ganzes Hotel. Im Belmond La Residencia etwa ist man unter sich: Herrenhäuser aus Stein, mitten in den Bergen Mallorcas, das Brautpaar ließ sich im Olivenhain trauen. "Die Band hat 2014 auf der Hochzeit von Kim Kardashian gespielt", sagt Metgenberg. Wäre doch schade, wenn sie um 23 Uhr aufhören müssten.

Auch Stars wie Robbie Williams oder Helene Fischer kann Metgenberg buchen, Kosten: mindestens eine Million. Derzeit ist sie an Andrea Bocelli dran. Der kostet etwas weniger, dafür muss die Rampe für den blinden Tenor nach genauen Vorgaben gebaut werden. Enrique Iglesias kommt nur, wenn weiße Lilien auf der Bühne arrangiert sind. Sonst fährt er wieder nach Hause - samt Gage.

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Kürzlich hat Metgenberg einen Verlobungsantrag im französischen Luxushotel Chèvre d'Or organisiert. Dinner für zwei, traumhafte Aussicht auf die Côte d'Azur, stilvolle Tafel unter einem Baldachin aus Pfingstrosen, Callas, Hortensien, Orchideen, Lilien. Muss man so dick auftragen? Ja, muss man, sagt sie. Etwa, wenn der Auftraggeber, wie in diesem Fall, ein israelischer Geschäftsmann ist. Bei einem Antrag sollte der Aufwand im Verhältnis zu dem stehen, was er leisten kann. Alternativ könne man natürlich auch den Jakobsweg pilgern, um eine Frau für sich zu gewinnen. Oder einen Marathon laufen. "Hauptsache, er zeigt, dass er sich für sie ins Zeug legt."

Er soll sich für sie ins Zeug legen - ist der Gedanke nicht ziemlich antiquiert? Überhaupt, führt dieser Traum von "Prinzessin für einen Tag" nicht die Emanzipation ad absurdum? Da wird Metgenberg zum ersten Mal ungehalten. Noch bevor man die Frage beendet hat, lässt sie ermattet den Kopf sinken und lehnt ihn gegen das Steuer ihres Mietwagens. Wo da bitte schön der Widerspruch sei, fragt sie. Warum sollte eine gestandene Frau so einen Traumantrag inklusive Traumhochzeit nicht wollen?

Die Sache im Chèvre d'Or ging übrigens gut aus. Die Braut hat Ja gesagt, zum Glück. Allein die Blumen haben 30 000 Euro gekostet.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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