SZ.de: "Willst du mein Trauzeuge sein?" - da fühlt man sich erst einmal geehrt ...
Thomas Sünder: Allerdings. Im ersten Moment ist man stolz, im zweiten fragt man sich: Verdammt, was genau muss ich da eigentlich machen? Manche Brautpaare veranstalten heute ja ein ziemliches Brimborium. Die Hochzeitssendungen im Privatfernsehen verstärken den Druck noch, alles ist überdimensioniert, traumhaft, einmalig. Dementsprechend wird auch von den Trauzeugen einiges erwartet.
Trotz Scheidungsstatistiken ist der Trend zum Heiraten ungebrochen, jedes Jahr trauen sich in Deutschland mehr als 350 000 Paare und schließen den Bund fürs Leben. Doch zuvor sind viele Entscheidungen zu fällen. Manchmal mutieren Bräute in dieser Zeit zu Monstern. Manchmal geht erst auf der Hochzeitsparty alles schief. Und manchmal ist es einfach nur der schönste Tag im Leben. Lesen Sie hier alle Texte rund um das Thema Hochzeit.
Was denn zum Beispiel?
Organisationstalent, Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Selbstbewusstsein - man muss klar sagen können, was Sache ist. Auch sollte man in der Lage sein, vor einer großen Anzahl Leuten zu reden. Trauzeugen sollen im Vorfeld mit den Gästen kommunizieren und sich dafür einsetzen, dass die Wünsche des Brautpaars berücksichtigt und realisiert werden. Sie kümmern sich darum, dass am Tag der Feier alles nach Plan läuft. Sie koordinieren die Beiträge und sorgen dafür, dass der Zeitplan eingehalten wird.
Klingt wie die Stellenbeschreibung eines Managers ...
Weil Trauzeuge sein eben nicht nur eine Ehre ist, sondern auch eine Verantwortung. Irgendetwas Unvorhergesehenes passiert immer, dann sollte man nicht lange fackeln. Die Gruppe will, dass Entscheidungen für sie gefällt werden. Das geht nur, wenn man nicht in Panik verfällt - und das Brautpaar womöglich noch ansteckt.
Was für eine Art von Katastrophe schwebt Ihnen da vor?
Ich erinnere mich an eine Hochzeit, bei der die Trauzeugen am Ausgang des Standesamtes mit großem Aufwand einen Champagnerempfang mit Häppchen vorbereitet hatten. Nach der Trauung sollten sich die Gäste dort stärken. Als die beiden für die Trauung nach drinnen verschwanden, hatten sie nur eine Kleinigkeit vergessen: ein Namensschild anzubringen. Als eine halbe Stunde später die Hochzeitsgesellschaft aus dem Gebäude trat, standen an dem Buffet etwa 30 wildfremde, festlich gekleidete Menschen mit Sektgläsern in der Hand, die auf den vorbereiteten Sandwiches herumkauten. Sie dachten, die nette Geste sei von "ihrem" Brautpaar für sie vorbereitet worden. Die Trauzeugen behielten die Nerven und machten sich auf den Weg zur nächsten Tankstelle, um Sekt und Knabberzeug zu holen.
Das hätte auch anders ausgehen können ...
Genau deshalb müssen sich die Brautleute zuvor gut überlegen, was sie der Person zutrauen. Viele ernennen im Überschwang ihren besten Kumpel zum Trauzeugen, obwohl er vielleicht ein Chaot ist. Dann ist es besser, die Aufgaben zu verteilen und beispielsweise den Bruder zum Zeremonienmeister zu ernennen und der Schwester den Programmablauf zu übergeben. So entzerrt sich der Aufwand - und niemand ist enttäuscht.
Apropos Aufwand: Was unterscheidet den Trauzeugen von einem Wedding Planner?
Der Trauzeuge macht es umsonst, aus Zuneigung. Er ist nicht in die komplette Planung involviert. Er kümmert sich weder um die Location noch um die Hochzeitsdeko, dafür organisiert er den Junggesellenabschied. Am Hochzeitstag hat der Trauzeuge die Rolle eines Wedding-Guards: Er sollte vorausschauend sicherstellen, dass alles umgesetzt wird wie besprochen. Und böse Überraschungen, wie zum Beispiel nervtötende, erniedrigende und langweilige Gruppenspiele, unterbinden.