Süddeutsche Zeitung

Heiraten:"Trauzeugen haben nur einen Chef: das Brautpaar"

Lesezeit: 4 min

Trauzeugen sind heutzutage mehr als Ringehalter und Beurkunder. Sie sollen dazu beitragen, dass der Hochzeitstag der schönste im Leben der Brautleute wird. Thomas Sünder hat bereits Hunderte Hochzeiten betreut und Brautpaare bei der Planung unterstützt. Sein neues Buch "Wer hat eigentlich die Ringe?" richtet sich vor allem an Trauzeugen und Hochzeitsbegleiter. Im Gespräch mit SZ.de verrät der Hochzeitsprofi, was einen guten Trauzeugen ausmacht, welche besonderen Herausforderungen das "Ehrenamt" beinhaltet - und wann man es besser ablehnt.

Interview von Violetta Simon

SZ.de: "Willst du mein Trauzeuge sein?" - da fühlt man sich erst einmal geehrt ...

Thomas Sünder: Allerdings. Im ersten Moment ist man stolz, im zweiten fragt man sich: Verdammt, was genau muss ich da eigentlich machen? Manche Brautpaare veranstalten heute ja ein ziemliches Brimborium. Die Hochzeitssendungen im Privatfernsehen verstärken den Druck noch, alles ist überdimensioniert, traumhaft, einmalig. Dementsprechend wird auch von den Trauzeugen einiges erwartet.

Was denn zum Beispiel?

Organisationstalent, Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Selbstbewusstsein - man muss klar sagen können, was Sache ist. Auch sollte man in der Lage sein, vor einer großen Anzahl Leuten zu reden. Trauzeugen sollen im Vorfeld mit den Gästen kommunizieren und sich dafür einsetzen, dass die Wünsche des Brautpaars berücksichtigt und realisiert werden. Sie kümmern sich darum, dass am Tag der Feier alles nach Plan läuft. Sie koordinieren die Beiträge und sorgen dafür, dass der Zeitplan eingehalten wird.

Klingt wie die Stellenbeschreibung eines Managers ...

Weil Trauzeuge sein eben nicht nur eine Ehre ist, sondern auch eine Verantwortung. Irgendetwas Unvorhergesehenes passiert immer, dann sollte man nicht lange fackeln. Die Gruppe will, dass Entscheidungen für sie gefällt werden. Das geht nur, wenn man nicht in Panik verfällt - und das Brautpaar womöglich noch ansteckt.

Was für eine Art von Katastrophe schwebt Ihnen da vor?

Ich erinnere mich an eine Hochzeit, bei der die Trauzeugen am Ausgang des Standesamtes mit großem Aufwand einen Champagnerempfang mit Häppchen vorbereitet hatten. Nach der Trauung sollten sich die Gäste dort stärken. Als die beiden für die Trauung nach drinnen verschwanden, hatten sie nur eine Kleinigkeit vergessen: ein Namensschild anzubringen. Als eine halbe Stunde später die Hochzeitsgesellschaft aus dem Gebäude trat, standen an dem Buffet etwa 30 wildfremde, festlich gekleidete Menschen mit Sektgläsern in der Hand, die auf den vorbereiteten Sandwiches herumkauten. Sie dachten, die nette Geste sei von "ihrem" Brautpaar für sie vorbereitet worden. Die Trauzeugen behielten die Nerven und machten sich auf den Weg zur nächsten Tankstelle, um Sekt und Knabberzeug zu holen.

Das hätte auch anders ausgehen können ...

Genau deshalb müssen sich die Brautleute zuvor gut überlegen, was sie der Person zutrauen. Viele ernennen im Überschwang ihren besten Kumpel zum Trauzeugen, obwohl er vielleicht ein Chaot ist. Dann ist es besser, die Aufgaben zu verteilen und beispielsweise den Bruder zum Zeremonienmeister zu ernennen und der Schwester den Programmablauf zu übergeben. So entzerrt sich der Aufwand - und niemand ist enttäuscht.

Apropos Aufwand: Was unterscheidet den Trauzeugen von einem Wedding Planner?

Der Trauzeuge macht es umsonst, aus Zuneigung. Er ist nicht in die komplette Planung involviert. Er kümmert sich weder um die Location noch um die Hochzeitsdeko, dafür organisiert er den Junggesellenabschied. Am Hochzeitstag hat der Trauzeuge die Rolle eines Wedding- Guards: Er sollte vorausschauend sicherstellen, dass alles umgesetzt wird wie besprochen. Und böse Überraschungen, wie zum Beispiel nervtötende, erniedrigende und langweilige Gruppenspiele, unterbinden.

Wie schützt man Braut und Bräutigam vor solchen Ideen?

Das Wichtigste ist, dass das Brautpaar vorab klar entscheidet und mit den Trauzeugen bespricht, was es will und was nicht. Die Trauzeugen filtern unter den vielen Vorschlägen heraus, was in Frage kommt. Und sie streichen, worauf die beiden keine Lust haben, etwa Standard-Spiele wie Baumstammsägen, Kutscherspiel oder ausufernde Brautentführungen. Auch das müssen sie den Urhebern der Idee schonend beibringen.

Wie macht man das, ohne Verwandte und Freunde des Brautpaares zu verärgern?

Äußerst freundlich, aber bestimmt: "Das ist sehr lieb von dir, aber die beiden wollen das wirklich nicht." Man kann sich auch auf den Zeitplan berufen, der das "leider nicht zulässt". Manchmal sind die Leute sogar erleichtert, weil sie dachten, es würde von ihnen erwartet. In Ausnahmen darf man das Brautpaar auch mal über eine schlechte Idee informieren - lieber eine verpatzte Überraschung als eine böse.

Und wenn jemand spontan eine Power-Point-Präsentation mit Erinnerungen aus den vergangenen 30 Jahren zeigen will?

Selbst wenn man sich damit bei zwei, drei Leuten unbeliebt macht, wäre ich in jedem Fall dafür, die Aktion zu unterbinden. Das Wohl der Allgemeinheit geht hier vor. Wer sich über die Wünsche der Brautleute hinwegsetzt, auf den muss man auch keine Rücksicht nehmen. Der Spielverderber ist nicht, wer das verhindert. Trauzeugen haben nur einen Chef: die Brautleute. Es ist ihre Feier, warum sollten sie sich und den anderen so etwas antun?

Sind Trauzeugen bessere Erfüllungsgehilfen oder können sie sich auch selbst einbringen?

Natürlich können und sollen Trauzeugen eigene Ideen entwickeln oder offen sein für andere. Das kann eine bestimmte Reise sein, die alle gemeinsam schenken. Oder ein spontaner Flashmob-Tanz, an dem sich alle Gäste beteiligen. Die Trauzeugen können in der Regel am besten beurteilen, worüber sich die beiden freuen. Sie kennen die Brautleute meistens sehr gut. Aber wer als Trauzeuge glaubt, dass alles so laufen muss, wie er es sich vorstellt, hat etwas falsch verstanden.

Wovor sollten sich Trauzeugen hüten?

Dass sie den Zeitplan überfrachten. Lieber wenig Geniales bieten als viel Durchschnittliches! Außerdem empfiehlt es sich, den Ablauf in der Theorie gründlich zu durchdenken. Gerade bei großen Gruppen muss man Situationen durchspielen, wie zum Beispiel die Frage: Kann das funktionieren, wenn 120 Gäste hintereinander Sinnsprüche in ein Mikrofon säuseln? Selbst wenn jeder nur 15 Sekunden braucht, dauert das ewig.

Ist die Aufgabe des Trauzeugen nach der Hochzeit beendet?

Die Rolle als Trauzeuge kann eine Freundschaft lebenslang stärken. Schließlich ist die Ehe - zumindest sinngemäß - ein Bund fürs Leben und das Thema somit nicht erledigt, nur weil die Hochzeit vorbei ist. Der Trauzeuge kann sich weiterhin als Ansprechpartner verstehen. Er kann dem Paar bei Problemen zur Seite stehen oder ihm zu jedem Hochzeitstag Blumen schicken. Diese Tradition gerät zwar immer mehr in den Hintergrund, je mehr das "Gedöns" in den Vordergrund rückt. Umso schöner, wenn man sie wiederbelebt.

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