Kunstexperiment in Schweden:Festanstellung fürs Irgendwastun

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Magdalena Malm ist Direktorin der schwedischen Behörde für Kunst im öffentlichen Raum. Sie war Vorsitzende der Jury, die für den Neubau eines Bahnhofs in Göteborg ein ungewöhnliches Kunstprojekt aussuchte. (Foto: Ricard Estay)

Unbefristeter Vertrag, 2046 Euro brutto, einzige Pflicht: Ein- und Ausstempeln. Die Stadt Göteborg vergibt einen ungewöhnlichen Job in einem Bahnhof. Magdalena Malm von der Kunstbehörde erklärt das Projekt.

Interview von Stefan Wagner

In der schwedischen Stadt Göteborg wird eine Stelle geschaffen, die dem richtigen Jobkandidaten die Möglichkeit bietet, jeden Arbeitstag genau das zu tun, was er für richtig hält - bei voller Bezahlung und mit Jobgarantie auf Lebenszeit. Magdalena Malm war Vorsitzende der Jury, die diese Idee des Künstlerduos Goldin+Senneby als "Kunst-am-Bau"-Projekt für einen Bahnhofsneubau auswählte.

SZ: Frau Malm, Sie haben geschaffen, was viele Menschen als Traumjob bezeichnen würden: eine bezahlte Festanstellung ohne jegliche Pflichten.

Magdalena Malm: Ja, der Angestellte, den wir suchen, wird weder Pflichten noch Verantwortlichkeiten haben, außer, dass er sich morgens und abends an einer Stechuhr an- und abmelden muss. Er darf auch den Inhalt seiner Arbeit bestimmen, besser gesagt: Die Arbeit ist das, was der Angestellte tun will. Das Einstiegsgehalt von umgerechnet 2046 Euro brutto wird jährlich an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst von Schweden angepasst. Es gibt Jahresurlaub und Rentenanspruch.

Frage an den SZ-Jobcoach
:Wie motiviere ich meine Mitarbeiter zum Abnehmen?

Arno B. macht sich Sorgen um eine übergewichtige Angestellte, die kaum noch aus dem Bürostuhl hochkommt. Er fragt den Jobcoach, ob er ihr Hilfe anbieten muss.

Und wo ist der Haken?

Es gibt keinen. Das Projekt "Eternal Employment" ("Anstellung für die Ewigkeit") ist allerdings weit mehr als ein Traumjob. Es ist ein experimentelles Konzept der Künstler Simon Goldin und Jakob Senneby. Es hat sich in einem gemeinsamen Ideenwettbewerb, den meine Behörde mit der schwedischen Verkehrsbehörde veranstaltet hat, durchgesetzt. Es ging darum auszuwählen, wie der Bahnhof Korsvägen, der gerade gebaut wird, künstlerisch gestaltet wird. Das Budget für das Job-Projekt beträgt 580 000 Euro. Eine Stiftung soll das Geld verwalten und so anlegen, dass die Kapitalrendite die Gehaltszahlungen für eine Dauer von etwa 120 Jahren sicherstellt.

Es wird also jemand mit Steuergeldern dafür bezahlt, absolut nichts zu tun?

Das ist ein Missverständnis, das ist ja keine Lizenz zum Faulsein. Dem Angestellten wird freigestellt zu tun, was er will. Er wird jeden Tag die freie Wahl haben: Er kann kreativ sein, Projekte verfolgen oder sich für den Müßiggang entscheiden. Die Stechuhr zu betätigen, ist seine einzige Aufgabe, sie ist mit einer Lichtinstallation im Bahnhof gekoppelt. Der Bahnhof wird in ein anderes Licht getaucht, wenn der Angestellte im Dienst ist - was auch immer der "Dienst" sein mag.

Okay, aber wozu soll das gut sein?

Das Projekt soll das Verständnis von Wachstum, Produktivität und Fortschritt auf den Prüfstand stellen. Das ist doch schon mal ein Wert an sich.

Und warum hat die Jury sich für diesen Vorschlag entschieden?

Das Projekt hat sich sehr deutlich gegen herkömmlichere Ideen wie Skulpturen oder Wandkunst durchgesetzt. Die zehn Jurymitglieder waren sich ziemlich schnell einig, dass dieses Kunstprojekt das beste war. Es ist konzeptuell stark, humorvoll, innovativ und wirft viele Fragen auf, das merken Sie ja auch gerade.

Welche Fragen wirft es bei Ihnen auf?

Wird es künftig noch Jobs geben, die ein Mensch sein Leben lang macht? Wird künstliche Intelligenz Berufsbilder ersetzen und uns alle zu Menschen machen, die wie der "ewige Angestellte" versuchen, etwas mit ihrer Zeit anzufangen? Ist es richtig, dass das Einkommen aus Kapital schneller wächst als die Löhne? Letztlich geht es nicht mehr so sehr um den Raum des Bahnhofs als vielmehr um die zeitliche Dimension. Der "ewige Angestellte" wird viele Jahrzehnte den Bahnhof prägen. Es wird spannend sein, was dieser Mensch mit seiner Zeit tun wird.

Wie waren die Reaktionen bislang?

Sehr gemischt. Manche sagten, das Projekt sei zu schwer zu verstehen, andere kritisierten es als unmoralisch, jemanden zu einer Art Kunstobjekt zu machen, wieder andere betrachteten es als Verschwendung öffentlicher Gelder. Die überwältigende Mehrheit der Reaktionen war allerdings positiv. Es hat ja jetzt schon die Vorstellungskraft der Menschen beflügelt, Diskussionen angeregt und Nachdenken ausgelöst. All das ist eine Folge des Experiments, obwohl es noch nicht mal gestartet ist.

Kann ich mich denn bei Ihnen jetzt auf diese Stelle bewerben?

Nein, bitte warten Sie noch ein wenig! Wir haben schon jetzt mehr als 50 Bewerbungen aus aller Welt erhalten, dabei akzeptieren wir die erst ab dem Jahr 2025, weil die U-Bahn-Station dann eröffnet wird. Erster Arbeitstag wird 2026 sein. Wir freuen uns aber auf alle Bewerbungen, vor allem von Menschen mit diversen Hintergründen und Erfahrungen, die diese einzigartige Stelle antreten wollen.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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