Frankfurt am Main:Nur wenige Anträge auf drittes Geschlecht in Hessens Städten

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Hessens Standesämter haben bisher nur wenige Anträge auf Eintragung des dritten Geschlechts im Geburtenregister erhalten. Lediglich in Frankfurt und Wiesbaden...

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Frankfurt/Kassel/Wiesbaden/Fulda (dpa/lhe) - Hessens Standesämter haben bisher nur wenige Anträge auf Eintragung des dritten Geschlechts im Geburtenregister erhalten. Lediglich in Frankfurt und Wiesbaden ließen Menschen ihre Angabe in „divers“ ändern, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Kommunen ergab. Der Bundesverband Intersexuelle Menschen sieht viele Gründe, warum Betroffene die Möglichkeit nicht nutzen: Manche fürchteten Diskriminierung im In- und Ausland, andere schreckten die Notwendigkeit einer ärztlichen Bescheinigung und die damit verbundenen Untersuchungen ab.

Intersexuelle Menschen sind wegen einer Variante ihrer Geschlechtsentwicklung weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zuzuordnen - zum Beispiel hinsichtlich der Chromosomen, Hormone oder Genitalien. Ende 2018 hatte der Gesetzgeber die Einführung einer dritten Geschlechtsoption geschaffen. Statt „weiblich“ oder „männlich“ kann nun „divers“ in Geburtenregister und Pass stehen - oder gar nichts.

Doch genutzt wird dies selten. In Frankfurt ließen drei Menschen „divers“ eintragen. Wesentlich mehr (15) ließen die Geschlechtsangabe ändern oder streichen. In Wiesbaden gab es eine „divers“-Eintragung. In Gießen gab es zwei Anträge auf Änderung des Geschlechts, die aber andere Geburtsorte betrafen. In Kassel und Darmstadt gab es keine Anträge auf „divers“. Zumindest ein gewisses Interesse registrierte Fulda. Eine „größere Zahl von Anrufern“ habe sich über die neuen gesetzlichen Möglichkeiten erkundigt, aber noch keine entsprechenden Erklärungen am Standesamt abgegeben, sagte ein Sprecher. Bundesweit sieht es laut dem Bundesverband der deutschen Standesbeamten ähnlich aus: „Die Fallzahlen „divers“ sind eher gering, hieß es.

Der Bundesverband Intersexuelle Menschen nennt mögliche Gründe, warum das so ist: „Manche Menschen halten sich an die Arztanweisung, die Abweichung von der medizinischen Norm männlich/weiblich geheim zu halten, weil das Bekanntwerden der Variante der geschlechtlichen Entwicklung das soziale Aus darstellen könnte“, erklärte der Vorstand. Insbesondere Eltern fürchteten das, wollten ihre Kinder schützen und ihnen diesen Schritt im Erwachsenenalter überlassen.

Auch die Vorlage eines Attests könne ein Grund sein. „Es gibt Menschen mit Varianten der geschlechtlichen Entwicklung, die durch die Mediziner derart traumatisiert wurden, dass sie auch diesen Gang zum Mediziner sein lassen und sich keine Arztbescheinigung holen.“ Andere fänden den Begriff „divers“ nicht passend, eine Kategorisierung werde ganz allgemein abgelehnt.

Für den Bundesverband Intersexuelle Menschen ist die Änderungsmöglichkeit „eher kein Hauptziel gewesen“. Andere Themen seien viel wichtiger: „Bis zum heutigen Tag erleben intergeschlechtlich geborene Menschen keinen wirksamen Schutz vor medizinischen Maßnahmen und Gegebenheiten.“ Solche Maßnahmen ohne vollständige informierte Einwilligung der Betroffenen seien unter anderem genitalverändernde Operationen an Kleinkindern.

Zur Zahl der intersexuellen Menschen in Hessen gibt es keine gesicherten Angaben. Das Sozialministerium beruft sich auf die Schätzungen verschiedener Intersexuellen-Organisationen. Demnach liege das Verhältnis bei 1:1000, vorausgesetzt man schließe „leichtere Ausprägungen“ von Varianten der Geschlechtsentwicklung ein. Dies bedeutet für Hessen, dass es mehrere Tausend intersexuelle Menschen gibt.

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