Gesellschaft - Erfurt:Keine Parität auf Führungsetagen der Landesverwaltung

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Erfurt (dpa/th) - In den meisten Führungsetagen von Thüringens Ministerien und Landesbehörden sind weiterhin Männer deutlich in der Überzahl. Das geht aus einer Aufstellung der Landesregierung hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach erreichten von den neun Thüringer Ministerien nur die Staatskanzlei und das Bildungsministerium annähernd Parität - also eine Besetzung von Führungspositionen zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen.

So waren zum Stichtag 30. April in der Staatskanzlei inklusive der Zuständigkeit für Kultur und Europa von 43 Führungspositionen 21 mit Frauen besetzt. "Eine Unterrepräsentanz ist in Führungspositionen aktuell nicht mehr feststellbar", heißt es aus der Staatskanzlei. Lediglich bei den gut bezahlten Abteilungsleiterstellen herrscht noch Männerüberhang: Von den sechs Abteilungsleiterposten in der Staatskanzlei waren nur zwei, also ein Drittel, mit Frauen besetzt.

Nach dem Thüringer Gleichstellungsgesetz gelten Frauen oder Männer als unterrepräsentiert, wenn das jeweilige Geschlecht mit weniger als 40 Prozent vertreten ist.

Im Bildungsministerium sind die Posten weitgehend ausgewogen verteilt: Dort leiten zwei Frauen und zwei Männer die vier Abteilungen. Von den insgesamt 88 Führungspositionen im Ministerium und seinen nachgeordneten Dienststellen waren 44 in Frauenhand.

Zwischen den Ministerien gibt es große Unterschiede: eher schlecht kommt dabei das von der Grünen-Politikerin Anja Siegesmund geführte Umweltministerium weg. Nur 6 von 34 Führungspositionen sind dort mit Frauen besetzt, alle 4 Abteilungsleiter sind Männer. Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2014 seien sieben Führungspositionen mit vier Frauen besetzt worden. "Frauen haben dieselben Chancen, Führungspositionen zu erreichen", da eine Auswahl nach den Maßstäben der Eignung, Leistung und Befähigung erfolge, heißt es aus dem Umweltministerium.

Thüringens Gleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler sieht seit dem Regierungswechseljahr 2014 eine positive Entwicklung, "ohne dass die Unterrepräsentanz von Frauen schon in Gänze beseitigt oder gar eine paritätische Besetzung erreicht" worden sei.

Viele Stellen seien nach 1990 neu besetzt worden und würden erst nach und nach wieder frei. "Ein weiteres Problem sind ausbleibende Bewerbungen von Frauen", erklärte Ohler. Gründe dafür können unter anderem eine vorwiegend männliche Belegschaft sein oder Arbeitsbedingungen, die weniger frauen- oder familienfreundlich seien. Das zweijährige Mentoring-Programm "Mehr Frauen in Führungspositionen" beim Innenministerium, das seit 2017 läuft, soll helfen, Frauen für Führungsaufgaben weiterzuentwickeln.

Im Finanzministerium kamen Frauen zum Stichtag 30. Juni 2020 nur auf 11 von 37 Führungsposten. Im Innenministerium ist nur ein Fünftel der Führungsposten mit Frauen besetzt, im Wirtschaftsministerium ist es weniger als ein Viertel. In manchen Ministerien sind derzeit auch nicht alle Stellen besetzt - etwa im Sozialministerium, wo von den 28 Führungsposten 11 in Frauenhänden sind. Auch ohne die offene Stellenbesetzung sind Frauen nach dem Gleichstellungsgesetz bei leitenden Jobs im Sozialministerium nicht unterrepräsentiert.

Auch im Infrastrukturministerium gibt es freie Stellen, sodass sich der Frauenanteil dort noch ändern kann. Mit Stand 30. April waren in dem von Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) geführten Haus alle fünf Abteilungsleitungen mit Männern besetzt. Von den 34 besetzten sonstigen Führungsposten waren nur 12 in der Verantwortung von Frauen.

Betrachtet man den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums mit allen nachgeordneten Behörden, wird die Schieflage noch deutlicher: Von insgesamt 21 Abteilungsleitungen war Ende April nur eine einzige mit einer Frau besetzt. Eine Stelle ist derzeit frei. Der Frauenanteil bei den Referatsleitungsstellen habe sich in den vergangenen Jahren bereits erhöht, heißt es vom Infrastrukturministerium. Man fördere gezielt weibliche Führungskräfte, um vor allem die Zahl der Abteilungsleiterinnen zu erhöhen.

Groß sind die Unterschiede auch in den Landesbehörden. Bei der Landespolizeidirektion etwa waren mit Stichtag 30. Juni 2020 nur 75 von insgesamt 500 Führungspositionen mit Frauen besetzt, die damit einem Anteil von nur 15 Prozent erreichten. Beim Landeskriminalamt war zumindest jeder fünfte Führungsjob mit einer Frau besetzt. Die Entwicklung in den vergangenen Jahren aber sei positiv, erklärte das Innenministerium. Gegenüber den Daten von Ende Juni 2014 erhöhte sich der Frauenanteil bei Leitungsjobs in fast allen Bereichen der Polizei.

Unterrepräsentiert sind Frauen auch in leitenden Funktionen bei Thüringer Gerichten und Staatsanwaltschaften. Ihr Anteil betrug den Daten zufolge am Stichtag 30. April rund 27 Prozent. Das Justizministerium weist darauf hin, dass in den vergangenen drei Jahren drei von fünf Präsidenten-Stellen eines Obergerichts mit Frauen besetzt wurden.

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte, es brauche mehr Frauen in Führungsverantwortung. "Wir brauchen keine Gendersternchen, sondern echte Chancen. Mit ordentlicher Kinderbetreuung, Beförderungs- und Berufungspolitik sowie gleichwertiger Bezahlung", betonte Voigt. Gleichberechtigung müsse Tag für Tag in den Familien vorgelebt werden, wenn ein gesellschaftlicher Wandel erreicht werden solle.

© dpa-infocom, dpa:210524-99-720385/2

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