Familientrio:Opas ungleicher Nachlass

Der kürzlich verstorbene Großvater hat zeit seines Lebens für jeden Enkel zum Geburtstag 1000 Euro aufs Sparkonto überwiesen. Die ältere Enkeltochter hat nun 11 000 Euro, die Einjährige nur 1000. Müssen die Eltern das ausgleichen? Drei Experten, drei Meinungen.

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(Foto: Mary Blackwey/Unsplash)

Ich habe zwei Kinder mit großem Altersabstand (elf und eins). Ihr Großvater, der kürzlich verstorben ist, hat zeit seines Lebens für jeden Enkel zum Geburtstag 1000 Euro auf ein Konto überwiesen, das sollten sie mit 18 bekommen. Meine ältere Tochter hat nun also 11 000 Euro, die jüngere 1000. Meine Frau und ich fragen uns jetzt: Müssen wir das ausgleichen? Herbert F., Traunstein

Kirsten Fuchs:

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Auf die Frage gibt es zwei Antworten: Nein, wird die große Tochter sagen, denn es wäre unfair, mir etwas von Opas Geld zu nehmen. Die kleine Tochter wird sagen: Es ist unfair, mir nicht mehr von Opas Geld zu geben. Aber nun entscheiden ja nicht die Töchter, sondern Sie. Wenn Sie es gemütlich wollen, dann lassen Sie es so, wie es ist. Denn so ist es nun mal. Ich nenne es mal die Position des Tierdokumentarfilmers. Der sieht zu, wie die Natur eben ist und greift nicht ein. Ein größeres Tier frisst ein kleineres Tier. Ein Jungtier bleibt im Schlamm stecken. Der Tierdokumentarfilmer tut nichts. So könnten Sie es handhaben. Der Großvater ist gestorben und hat hinterlassen, was er hinterlassen hat. Die große Tochter hatte auch mehr Zeit mit dem Großvater, was auch unfair ist, aber nicht auszugleichen. Sonst könnten Sie den Mittelweg wählen und beide sind hoffentlich zufrieden: Die Große soll mehr behalten, aber die Kleine etwas mehr bekommen. Das ist schöner, obwohl ein Großvater trotzdem schöner ist als sein Geld. Mein Beileid! Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul:

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(Foto: Anne Kring)

Ich sehe, dass Sie in einem Dilemma stecken, aber für mich ist es schwierig zu verstehen, welche Werte Sie bei Ihrer Entscheidung leiten. Ich halte das für eine Angelegenheit zwischen einem Großvater und seinen Enkeln, die er regelmäßig unterstützen wollte. Er hätte absehen können, dass die Ältere mehr bekommt als die Jüngere, wenn er stirbt, bevor beide Kinder volljährig sind, aber er hat es so geregelt. Als Eltern würde ich mich aus dem Großelternplan raushalten, und zwar bei lebenden genauso wie bei verstorbenen Großeltern. Also: Nicht ausgleichen! Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandes: 

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(Foto: Anatol Kotte)

Schön, dass es so was noch gibt, einen Rentner mit Tausendern. Ihr Großvater hat alles richtig gemacht, nur eines nicht bedacht, nämlich sein frühes Ableben. Hätte er gewusst, dass er schon jetzt gehen muss, hätte er sich sicher ein anderes, gerechteres System überlegt. Jetzt, wo er tot ist, müssen Sie in seinem Geiste handeln. Erste Option: Sie halbieren das Geld, und geben beiden Kindern 6000 Euro. Der Nachteil: Sie müssen Ihrer größeren Tochter etwas von ihrem Erbe wegnehmen. Mit elf Jahren hat man ein solches Vermögensgeschenk vermutlich bereits auf dem Schirm. Sie sollten auf jeden Fall mit ihr darüber sprechen, ihr die Situation erklären. Vielleicht bekommen Sie Ihre Tochter dazu, freiwillig auf einen Teil zu verzichten. Zweite Option: Sie füllen, wie Großvater Dagobert, jedes Jahr 1000 Euro nach. Dies würde ihn im Himmel, von wo aus er die Aktienkurse betrachtet, sicher freuen. Sollten Sie es sich leisten können, rate ich zur zweiten Variante. Vielleicht hat der Großvater ja noch ein Erbe hinterlassen, von dem Sie etwas dafür verwenden können? Ausgleichen sollten Sie den ungleichen Kontostand aber so oder so. Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 8.9.18 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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