Familientrio:Konfliktscheuer Urlaubs-Papa

Der Sohn meines Partners ist nur in den Ferien da, deshalb lässt er ihm alles durchgehen. Das nervt mich. Aber soll ich mich einmischen? Drei Experten, drei Meinungen.

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(Foto: dpa / Bearbeitung SZ.de)

Mein Freund hat einen elfjährigen Sohn, der bei der Mutter aufwächst, aber in den Ferien bei ihm ist. Dann lässt mein Freund ihm leider alles durchgehen. Egal, ob der Junge sich weigert, Gitarre zu üben, beim Wandern den Rucksack zu tragen, oder ob er ein Eis möchte: Am Ende kriegt immer er seinen Willen. Der Vater sagt viel zu selten Nein. Mich nervt das, aber soll ich mich einmischen? Claudia L., Hamburg

Kirsten Fuchs:

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Einmischen klingt immer so unangenehm, zumindest sollten Sie sich nicht direkt in die Situation einmischen. Das schwächt die Autorität Ihres Freundes als Vater. Ich würde mit Ihrem Freund reden. In den Knien locker, einatmen, ausatmen und schön fair bleiben: Ihnen ist das aufgefallen, Sie finden das nicht gut usw., weil es für den Sohn auch nicht gut ist. Und jetzt brauchen Sie Argumente, und die liefere ich Ihnen auch gleich: Der Sohn liebt seinen Vater auch, wenn der ihn erzieht. Und der Sohn braucht das sogar. Das ist gut für ihn. Will er Zucker essen und bekommt etwas Gesundes, ist das auch Liebe. Hat Ihr Freund ein schlechtes Gewissen, weil er ein Feriendaddy ist? Ohne schlechtes Gewissen kann man wesentlich besser erziehen. Oder hat er gar keine Lust auf Erziehen? Das ist aber seine Aufgabe. Außerdem muss er es auch der Mutter nicht unnötig schwer machen, indem er ihr die unliebsame Position der alleinigen Erziehung überlässt. Ja, reden Sie mit ihm. Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul:

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(Foto: Anne Kring)

Beim Kindererziehen gibt es nie einen richtigen oder falschen Weg. Wir geben alle unser Bestes und brauchen dabei alle einen empathischen Partner oder Freund, der bereit ist, unser Dilemma mit uns zu ergründen. Ich weiß nicht, ob Ihr Freund schon immer diesen "Viel erlauben/keine Konfrontation"-Stil in der Erziehung hatte. Doch er handelt aus guten Gründen so. Versuchen Sie, diese zu verstehen, und dann warten Sie, ob er Sie zum Mitdenken einlädt, wenn Sie ihn etwa so ansprechen: "Mir ist etwas an deiner Beziehung zu deinem Sohn aufgefallen, möchtest du, dass ich meine Beobachtung mit dir teile?" Behandeln Sie ihn vorsichtig, und denken Sie immer daran, dass er denkt und handelt, wie er es tut, weil er tief drinnen einen starken Schmerz empfindet. Helfen Sie ihm, diesen zu verkraften, dann wird sich sein Verhalten ändern. Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandes: 

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(Foto: Anatol Kotte)

Das klingt nach einer interessanten Familiensituation: Vater, neue Frau, renitentes, ohne Rucksack und ohne Gitarre wanderndes Kind in der Mitte. Klar: Kinder checken ihre Optionen, nehmen sich, was sie bekommen können, egal, ob es um Liebe oder Zucker geht. Mit elf Jahren hatte ich auch noch keinen Filter, der mich angehalten hat maßzuhalten. Ich war mit Freundin A eine ganz andere Person als bei Tante B; beim einen rücksichtsvoll und leise, bei der anderen wie ein kleiner Pascha, der seinen Mund nur öffnet, um Magic Gum nachzufüllen. Vielleicht ist das ein Gesprächsansatz: Sie könnten Ihren Freund fragen, ob er diese Person sein will, bei der man sich hemmungslos den Bauch vollschlägt, die aber ganz viele Aspekte einer Kindheit nicht mitbekommt. Denn dazu gehört auch Konflikt. Im Moment verpasst er die Chance, seinem Kind nicht nur zu zeigen, dass er es liebt, sondern auch, dass er es liebt, obwohl man sich mal gestritten und er zu einer Forderung Nein gesagt hat. Diese Vaterfigur wäre aber wichtig für ihn. Das sollten Sie ihm verklickern, denn schließlich ist er der Vater dieses Kindes, nicht ein entfernter Bekannter, der Onkel oder die Oma. Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama". Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 8.9.18 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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