Familie:«Vermisst, aber nicht vergessen» - Suche nach verschwundenen Kindern

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Hamburg (dpa) - Es ist die Angst aller Eltern: Ein Kind verschwindet spurlos. Eine Hamburger Initiative versucht, bei der Suche zu helfen - und den verzweifelten Angehörigen zur Seite zu stehen.

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Hamburg (dpa) - Es ist die Angst aller Eltern: Ein Kind verschwindet spurlos. Eine Hamburger Initiative versucht, bei der Suche zu helfen - und den verzweifelten Angehörigen zur Seite zu stehen.

Eine Trillerpfeife, findet Lars Bruhns, wäre das Einfachste. Wenn ein Kind in eine Notsituation gerät, wenn etwa jemand versucht, es in ein Auto zu zerren, kann es hineinpusten - und bekommt schlagartig Aufmerksamkeit. „Da dreht sich doch jeder auf der Straße um“, sagt der Leiter der bundesweit einzigartigen Initiative Vermisste Kinder in Hamburg. Der Verein unterstützt die Polizei bei der Suche nach Verschwundenen. Für Bruhns wäre die Trillerpfeife eine gute Prävention: ohne technischen Schnickschnack, ohne hohe Kosten.

Rund 1800 Kinder und Jugendliche in Deutschland gelten nach den jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) als vermisst. Zum „Tag der vermissten Kinder“ an diesem Sonntag (25. Mai) organisiert die Initiative die Aktion „Vermisst - aber nicht vergessen“: Bundesweit werden auf Info-Screens Bilder von Vermissten aus der ganzen Welt gezeigt - „damit kein Kind vergessen wird“.

Bis zu 100 000 Vermisstenanzeigen gehen bei der Polizei in Deutschland jedes Jahr ein, wie Bruhns berichtet. „Die allermeisten Fälle klären sich aber innerhalb der ersten Stunden oder Tage.“ Viele Kinder oder Jugendliche tauchen nach kurzer Zeit wieder auf. Es gibt aber auch einige, die über Jahre oder Jahrzehnte wie vom Erdboden verschluckt sind.

Manche verschwinden auf dem Heimweg von der Schule, manche kehren nach der Übernachtung beim Freund nicht nach Hause zurück, manche werden zuletzt beim Spielen im Vorgarten gesehen. „Jeder Vermisstenfall ist einzigartig“, sagt Bruhns. Bei der Suche nach den Verschwundenen dürfe sich daher niemals Routine einschleichen.

Vertrautheit und Erfahrung mit Vermisstenfällen sind dagegen nach Ansicht der Initiative unverzichtbar. Bruhns hält daher eine bundesweit zentrale Stelle bei der Polizei für sinnvoll: Dort könnten sich Experten aus verschiedenen Disziplinen um Verschwundene kümmern - ähnlich wie in den USA. „Manchmal werden Vermisstenfälle zu spät in diese Kategorie eingeordnet“, sagt der 33-Jährige. „Dabei sind die allerersten Stunden entscheidend. Die Suche muss ganz, ganz schnell anlaufen.“

Die Gründe für das Verschwinden sind vielfältig: Manche Jugendliche hauen ab, weil es Probleme in der Familie oder in der Schule gibt. Einige Minderjährige werden von einem Elternteil verschleppt, etwa ins Ausland. Und manche fallen einem Verbrechen zum Opfer. „Dass es um Leben und Tod geht, ist aber sehr selten“, betont Bruhns.

Seit 1997 sucht die Initiative weltweit nach Verschollenen - über das Internet, Soziale Netzwerke oder Info-Screens an Bahnhöfen. Die derzeit 27 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vermisstenportals stellen zudem Kontakte zu Behörden her, betreuen die Angehörigen und betreiben ein Notfall-Telefon, das rund um die Uhr besetzt ist.

Ihre Arbeitsweise habe sich inzwischen verändert, sagt Bruhns. Anfangs wollte die Initiative möglichst viele Menschen erreichen, wenn irgendwo ein Kind vermisst wurde - was aber zu einem Wust von Hinweisen führen kann. Es mache daher mehr Sinn, gezielt Leute in der betroffenen Region zu alarmieren und eine „konzentrierte Suche“ zu starten. Der Verein will dafür noch in diesem Jahr ein neues Projekt auf die Beine stellen: Auf manchen Internetseiten sollen dann - regional begrenzt - statt Werbe- Vermisstenanzeigen stehen.

Ist ein Kind verschwunden, bedeutet das für die Angehörigen: Ungewissheit. Quälendes Warten. Ständige Unruhe. Und: Je länger der Fall zurückliegt, desto weniger Unterstützung komme aus dem Umfeld, sagt Bruhns. „Man wird relativ schnell gedrängt, wieder normal in der Spur zu laufen - und wieder so fröhlich zu sein wie zuvor.“

Fälle wie der von Natascha Kampusch, die sich nach achteinhalb Jahren aus der Gewalt ihres Entführers befreien konnte, machten vielen Eltern Hoffnung. „Umso schrecklicher ist die Ernüchterung, wenn sich Hinweise häufen, dass ihr Kind wohl doch nicht mehr am Leben ist.“

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