Digital Parents:Eltern, die auf Handys starren

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Digital Parents: Nicht immer vorbildhaft: Eltern leben ihren Kindern vor, wie Mediennutzung geht.

Nicht immer vorbildhaft: Eltern leben ihren Kindern vor, wie Mediennutzung geht.

Aus Angst, dass ihnen etwas entgeht, verpassen Digital Parents das Wesentliche.

Von Katja Schnitzler

Beim Abendessen sitzen Mutter, Vater, Kind gemeinsam am Tisch, was auch nicht alle Tage vorkommt. Zeit für Gespräche, für ein Wie-geht-es-dir-eigentlich, doch stattdessen: Stille, unterbrochen von Belanglosigkeiten. Denn die drei sind nicht allein, ein Smartphone liegt neben dem Teller. Bei jedem Pieps wird es beachtet. Die Unbeteiligten am Tisch schweigen nach jedem Ping! immer lauter. Das kommt Ihnen bekannt vor?

Haben Sie nicht auch Ihrem Kind immer wieder gepredigt, dass es sein verflixtes Handy endlich ausschalten soll? Dass Sie ihm in die Augen sehen wollen, statt auf seinen Scheitel zu starren? Nur: Es war nicht das Kind, das im Bann des Smartphones das Essen vergaß und die anderen am Tisch gleich mit. Ach, so würden Sie sich nie verhalten? Ehrlich?

"Moment noch, ich muss nur schnell ..."

Wie oft haben Sie heute zu Ihrem Kind (dessen Alter hierbei eine untergeordnete Rolle spielt) gesagt oder auch nur mit abgewandtem Blick signalisiert: "Moment noch, ich muss nur schnell, ich habe gleich Zeit für dich ...?" Weil Sie eine Mail checken, eine Börsennachricht lesen (und darauf reagieren), ein Skype-Gespräch führen oder eine Whatsapp-Nachricht beantworten mussten. Und das genau so empfanden: Sie mussten! Die Erde hätte wohl nicht aufgehört, sich zu drehen, wenn die Nachricht eine halbe Stunde später beantwortet worden wäre - meistens wollen Kinder gar nicht viel länger unsere Aufmerksamkeit, sie haben schließlich noch anderes zu tun.

360°: Digitalisierung der Kindheit

Schon die Kleinsten wischen auf Tablets, die Größeren können sich ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. Ihre Kindheit verläuft ganz anders als die ihrer Eltern, aber muss das schlecht sein? Bietet nicht gerade der frühe Umgang mit neuen Medien auch Chancen? Wie Eltern ihren Nachwuchs auf dem Weg in die interaktive Welt begleiten, was sie selbst dabei lernen können - ein Schwerpunkt.

Trotzdem stellen wir Digital Parents unsere eigene, ganz persönliche Welt immer wieder ganz selbstverständlich auf Standby - ein gesellschaftlich anerkanntes Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, gegen das keine Medikamente verschrieben werden.

Mit welchem Recht regen wir uns also darüber auf, dass unser Nachwuchs ausgerechnet dann kein Gespräch ohne zwischengeschalteten Bildschirm führen will, wenn wir selbst gerade mal Sendepause haben? Kinder lassen sich nicht an- und ausschalten wie eine App.

Dennoch erwarten wir, dass sie ihr - im Gegensatz zu unseren Mails bestimmt absolut unwichtiges, da kindisches - Hin und Her mit ihren Freunden sogleich unterbrechen, wenn wir gerade einen Moment Zeit für sie haben. Und ihr Sozialleben von hundert auf null herunterfahren, auch mitten im Gespräch - während wir zuvor voraussetzten, dass sie geduldig warteten, bis wir unsere digitalen Korrespondenzen erledigt hatten.

Zeit investieren, um im Gespräch zu bleiben

Haben wir unserem Kind mit elterlichen Druckmitteln den Bildschirm entzogen, sind wir bereit für das, was in Umfragen immer wieder mal ermittelt wird: die sogenannte Quality Time, welche die Bande zwischen Eltern und Nachwuchs festigen und letzteren stark fürs Leben machen soll. Es sollen am Tag knapp 40 Minuten beim Vater sein und etwa 70 Minuten bei Müttern, vielleicht haben manche Befragte die Zahlen auch etwas geschönt.

Doch wie sehr lassen wir Eltern uns auf die Momente mit unseren Kindern ein, so dass der Name "Quality Time" überhaupt gerechtfertigt ist? Bei der Erhebung wurde bestimmt nicht berücksichtigt, ob die Erwachsenen während dieser Qualitätszeit in der einen Hand den Bauklotz und in der anderen das Handy hielten; ob sie zwar körperlich anwesend waren, aber geistig gar nicht da. Auch ältere Kinder sind keine Selbstläufer: Eltern müssen Zeit investieren, um mit den Heranwachsenden im Gespräch zu bleiben.

Die wenigsten Jugendlichen sind dafür bekannt, dass sie freimütig über Dinge reden, die sie bedrücken. Hinweise darauf verstecken sie zwischen den Zeilen, in Nuancen in der Wortwahl, im Zittern der Stimme. In diesem Moment sind Eltern gefragt, die hinhören. Dumm nur, wenn ihre Aufmerksamkeit durch ein Handy-Signal abgelenkt wurde.

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