Kolumne: Die Altersweisen:Wovor muss man keine Angst haben?

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Franziska, 16, hat gelernt, ehrlicher zu sein, Isie, 90, dass Arbeit auch etwas anderes sein kann als eine Last. Wie junge und alte Menschen die Welt sehen, erzählen sie in dieser Kolumne.

Protokolle von Niko Kappel

Franziska, 16, kommt aus Borken in NRW und liebt es, Musik zu hören

(Foto: privat)

"Ich habe keine Angst mehr, Dinge bei Menschen anzusprechen. Wenn ich mit einer Person ein Problem hatte, habe ich das früher immer runtergeschluckt. Wenn mich etwas bedrückt hat, hatte ich oft Angst, es den Menschen zu sagen. Ich habe die Folgen gefürchtet. Dass jemand verletzt ist, oder dass sich eine Freundschaft dann verändert.

In einem Streit in der Schule habe ich mich dann aber endlich mal überwunden und ehrlich gesagt: 'Hey, du hast mich mit deinem Verhalten verletzt'. Die Person war total einsichtig und hat sich sogar für meine Ehrlichkeit bedankt. Ich habe gelernt, dass Ehrlichkeit immer mit Rücksicht einhergehen sollte. So habe ich eigentlich immer positive Reaktionen auf meine Ehrlichkeit bekommen.

Es ist total normal und menschlich, dass man mal Gefühle zeigt. Immer wenn ich das getan habe, hab' ich dadurch etwas gewonnen. Ich will das wirklich allen ans Herz legen: Sprecht die Dinge an, die euch bedrücken!"

Isie, 90, lebt in einem Seniorenheim in Kochel am See und hatte früher in Nordrhein-Westfalen eine Wirtschaft

(Foto: privat)

"Die Menschen sollten keine Furcht davor haben, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Ich musste das erst lernen. Früher hatte ich zum Beispiel Angst vor harter Arbeit. Ich war Chefin einer Gaststätte in Herne, das liegt bei Bochum. 150 Menschen hatten dort Platz. Ich habe gekocht und ausgeschenkt. Meine Arbeit sah ich lange als Bürde, aber irgendwann fiel mir auf, dass es um viel mehr ging, als nur darum, Teller abzuwaschen. Wir hatten dort immer so liebe Leute. Es gab weder Neid noch Streit. Diese Gaststätte war für viele Gäste ein richtiges Zuhause. Meine Bestimmung war es, diesen Menschen ein Zuhause zu bieten. Und das ist doch nichts, wovor man Angst haben muss, oder? Als ich das begriffen hatte, ging ich viel lieber jeden Tag dorthin. Ich hatte das Gefühl, sozusagen für meine Arbeit geboren zu sein.

Eigentlich bin ich mit 65 in Rente. Aber mir war so schrecklich langweilig. Und da wurde mir etwas klar: Ich liebe die Arbeit. Die Gaststätte, das war der Ort, an dem ich mich immer am wohlsten gefühlt habe. Mir selbst schmeckten die Kohlrouladen bei uns am besten. Ich habe dann noch weiter dort gearbeitet, bis ich 85 war. Viel Arbeit ist also nicht unbedingt etwas Schlechtes."

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