Innenministerin:Zieschang: Gesellschaft muss Polarisierung entgegenwirken

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Tamara Zieschang (CDU), Innenministerin des Landes Sachsen-Anhalt, spricht während einer Pressekonferenz. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Es sei Aufgabe der Sicherheitsbehörden, Politiker zu schützen, sagt die Innenministerin. Aber von der Gesellschaft müsse Rückhalt kommen. Ministerpräsident Haseloff spricht von einem allgemeinen Kulturverfall.

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Magdeburg (dpa/sa) - Nach den Angriffen auf mehrere Politiker in den vergangenen Tagen sieht Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang auch die Gesellschaft in der Pflicht. Es könne nicht allein Aufgabe von Sicherheitsbehörden sein, der Polarisierung entgegenzuwirken, sagte die CDU-Politikerin am Mittwochmorgen dem MDR. „Unsere Aufgabe ist es, Politikerinnen und Politiker, ehrenamtlich Engagierte, hauptamtlich Engagierte zu schützen, aber es ist Auftrag der Gesellschaft insgesamt, einer solchen Polarisierung entgegenzuwirken.“ Amts- und Mandatsträger bräuchten Rückhalt, der bewirke oftmals mehr, als es die Sicherheitsbehörden leisten könnten.

Bei der Frage, ob zum besseren Schutz insbesondere von Kommunalpolitikern ein besonderer Nötigungstatbestand ins Strafgesetzbuch gehöre, sei der Bund gefragt. Dabei geht es laut Zieschang etwa darum, Demonstrationen vor den Wohnhäusern von Politikern einfacher verbieten zu können. Auch strafrechtlich sei das bislang vom Nötigungstatbestand nicht ausreichend erfasst. Bereits im Herbst hätten die Länder dem Bund aufgetragen, dies zu prüfen. „Leider hat der Bund bislang noch nichts unternommen.“

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach in einem Interview bei „web.de“ von einem „allgemeinen Kulturverfall“. „Ich bin jetzt 34 Jahre in der Politik. In den 90er Jahren hat es im Osten schon einmal richtig geknirscht, als viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Die Feindseligkeit hat in den vergangenen Jahren aber ein neues Maß erreicht. Diese Verrohung, diese körperliche Gewalt gegen Politiker und alle, die anderer Meinung sind, gab es früher in der Form nicht.“

Haseloff sieht eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. „Jeder, der an dieser Demokratie mitwirkt, muss in sich gehen und sich nach seiner Verantwortung fragen: Wie sprechen wir miteinander? Wie gehen wir miteinander um? Wie kommentieren wir? Welche Schlagzeilen werden verwendet?“ Das Potenzial an Unzufriedenheit sei gerade groß, weil viele Menschen unzufrieden mit der Bundesregierung seien. „Aber auch Politiker können Fehler machen, auch Politiker haben ein Recht auf Würde“, sagte der Regierungschef.

In diesem Jahr wurden laut dem Innenministerium in Sachsen-Anhalt insgesamt elf politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger registriert. Gewaltdelikte seien mit Stand 30. April nicht bekannt worden. Fünf Beleidigungen seien erfasst worden, je zwei Bedrohungen und Nötigungen sowie eine Sachbeschädigung, ein Delikt wurde unter Sonstiges erfasst. Vier der elf Straftaten seien im Internet begangen worden. Ziel der Delikte seien fünfmal Amts- und Mandatsträger der Grünen gewesen, drei der AfD und jeweils einer von Linke, FDP und SPD. Im Zusammenhang mit den Kommunal- und Europawahlen beschränke sich das Straftatenaufkommen bislang weitestgehend auf die Beschädigung oder den Diebstahl von Wahlplakaten, so das Innenministerium weiter.

© dpa-infocom, dpa:240508-99-957466/5

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