La Boum:Der General, der lacht

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin will eigentlich nur Kuhfotos anschauen, stattdessen lauert schon wieder überall Charles de Gaulle.

Von Nadia Pantel

Nachdem eine Freundin sich beim Mittagessen darüber gewundert hatte, warum französische Politiker eigentlich ständig Kühe streicheln, wollte ich für sie ein Foto von Charles de Gaulle und einer Kuh heraussuchen. Denn wenn ich inzwischen etwas über französische Politik gelernt habe, dann, dass es immer entscheidend ist, was de Gaulle tat. Als bekäme jeder Präsident und jede Präsidentschaftskandidatin ein Armband umgebunden wie sonst nur amerikanische Jesus-Fans: W.W.J.D. What would Jesus do? Oder eben: W.W.D.G.D. Was würde de Gaulle tun?

Eine kurze Bildersuche mit den Schlagworten "de Gaulle" und "vache", also Kuh, führte mich jedoch weit weg von meiner Ausgangsfrage. Ich fand keine Fotos, auf denen der Gründer der fünften Republik eine Kuh streichelt, sondern stattdessen zahlreiche Bastelarbeiten mit alten "Vache qui rit" Schachteln. "Die Kuh, die lacht" ist ein erstaunlicher Name für einen Streichkäse. Aber in Deutschland ist ja zum Beispiel auch ein Zuckerriegel sehr erfolgreich, der Kinderschokolade heißt, obwohl das Präfix vor Schokolade eigentlich nie den Adressaten bezeichnet, sondern immer das, was drin ist. Also Rum-Traube-Nuss-Schokolade, nicht Rentnerschokolade.

Die Kuh und der Über-Präsident sind sich viel näher, als ich ahnte

"Vache qui rit" ist jedenfalls so erfolgreich, dass sich erstens niemand mehr über den Namen wundert und dass zweitens die Kuh, die auf der Verpackung lacht, "Vache qui rit"-Schachteln als Ohrringe trägt. Auf denen wiederum eine Kuh lacht, die auch "Vache qui rit"-Ohrringe trägt. Es gibt also kein Entkommen vor dieser fröhlichen Kuh. Man könnte denken, das sei das Einzige, was sie mit Charles de Gaulle gemeinsam hat. Doch seit meiner kleinen Vache-Recherche weiß ich, dass die Kuh und der Über-Präsident einander noch viel näher sind, als ich ahnte.

Nimmt man eine alte "Vache qui rit"-Schachtel aus den 60er-Jahren, in denen natürlich de Gaulle regierte, dann findet man dort, mitten auf der Kuh: de Gaulle. Man muss dazu die lachende Kuh umdrehen, so dass ihre Hörner nach unten zeigen. Dann schneidet man eine de Gaulle-förmige Figur aus der Pappe. Das Auge der Kuh wird zum De-Gaulle-Mund, die Lachfalten des Tieres verwandeln sich in die Nasenlöcher des Generals, der berühmte Ohrring wird das Auge. Es klingt völlig abwegig, aber es funktioniert und es war angeblich eine Hauptbeschäftigung bei Familienpicknicks in der de Gaulle-Ära. "Quengel nicht, Pierre, schneide lieber mal den Präsidenten aus dem Käse aus."

Weil in Frankreich alles den Bach runtergeht, so haben sie es mir wenigstens im Fernsehen erzählt, kann man aus der aktuellen "Vache qui rit"-Schachtel weder de Gaulle noch Emmanuel Macron noch, zum Beispiel, Anne Hidalgo basteln. Kein Wunder, dass sich da eine gewisse Frustration bei der Bevölkerung einstellt und die Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten zurückgeht. Vielleicht ist dieses ständige Kuhstreicheln der Politiker einfach nur der Versuch, die gute alte Zeit wieder herbeizutätscheln.

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