SZ: Ein Kleid für 700 Millionen Zuschauer. Wie geht man diesen Auftrag an?
Emanuel: Zuerst haben wir es den Mitarbeitern erzählt, wir hatten das Glück, dass wir allen vertrauen konnten. Dann fingen wir mit der Recherche an. Wie sahen die Hochzeitskleider der Königsfamilie zuvor aus? Gibt es Hinweise auf Gemälden? Wie muss ein Kleid in St. Paul's Cathedral wirken? Sie müssen endlos viele Fakten sammeln. Und sich dann wieder distanzieren. Das Kleid musste ja ein Statement seiner Zeit sein. Die 80er waren dramatisch: voluminöse Roben und überall Bänder, Besatz und Schleifen.
SZ: Diana war berühmt und berüchtigt zugleich für ihren heftigen Romantikstil.
Emanuel: In der Tat. Zum Vorgespräch erschien sie gemeinsam mit ihrer Mutter. Bei diesem Termin wurden erste Zeichnungen diskutiert. Und sie hat wirklich sehr viele Kleider anprobiert, damit wir ein Gefühl dafür bekamen, wonach sie suchte.
SZ: Ziemlich anstrengend, unter Aufsicht des Königshofes zu arbeiten, oder?
Emanuel: Das wirklich Beängstigende war eher, dass eigentlich niemand uns beaufsichtigte. Es gab keine Anweisungen, kein Protokoll. Wir waren verantwortlich und hätten tun können, was uns gefällt.
SZ: Wie trifft man da Entscheidungen?
Emanuel: Immer gemeinsam mit der Braut. Wir sind von einem Kleid in unserem Laden ausgegangen, dessen Silhouette Diana besonders gut gefiel. Um dieses Modell herum haben wir alle Details arrangiert. Es gab Dummys, Schnittmusterentwürfe und zahllose Anproben, Diana war reizend und geduldig. Manchmal kam sie allein, manchmal mit ihrer Schwester oder einer der Brautjungfern.
SZ: Wie lange hatten Sie Zeit?
Emanuel: Drei Monate. Für Hochzeitskleid, Garderobe der Brautjungfern- neben dem normalen Kundenbetrieb.
SZ: Ihre größte Angst?
Emanuel: Natürlich ist es einschüchternd, wenn Hunderte Millionen Menschen das Ergebnis deiner Arbeit sehen werden. Aber man kann sowieso nicht alle zufriedenstellen, also konzentrierten wir uns darauf, dass Diana zufrieden war.
SZ: Woher weiß man zum Beispiel, wie lang die Schleppe sein muss?
Emanuel: Wir fanden einfach, dass eine so pompöse Hochzeit eine Schleppe verlangt. Bei der Länge haben wir uns auch am Kirchenschiff von St. Paul's orientiert. Und aus den Archiven wussten wir, dass die längste Schleppe auf einer Hochzeit des Königshauses 23 Fuß lang war. Um die Großartigkeit des Anlasses zu unterstreichen, legten wir Dianas Schleppe auf 25 Fuß an. Wie sie damit die Treppe zur Kathedrale heraufschritt - das hatte eine extrem dramatische Wirkung.
SZ: Die Spekulationen um das Kleid waren endlos. Wie blieben die Details bei so vielen Beteiligten geheim?
Emanuel: Für Geheimhaltung und Sicherheit waren wir allein verantwortlich. Also heuerten wir einen privaten Wachdienst an und bauten Fensterläden ein. Kleid und Entwürfe wurden jede Nacht in einem Safe eingeschlossen. Für die Presse haben wir falsche Spuren gelegt.
SZ: Falsche Spuren?
Emanuel: Etwa bei der Farbe - Elfenbein. Es sollte ungewöhnlich wirken, sich von anderen Hochzeiten absetzen. Um das geheim zu halten, haben wir beim zuständigen Lieferanten stets mehrere Farbtöne desselben Materials bestellt. Zudem warfen wir falsche Stoffproben und Entwürfe in die Mülleimer hinterm Haus. Wir wussten, dass die Reporter darin regelmäßig herumwühlten und auch aus dem letzten Faden noch Schlüsse zogen.
SZ: Wurden Sie bedrängt?
Emanuel: Es gab so viele Spekulationen in der Presse, so viel Aufmerksamkeit, so viele Anrufe, dass selbst der Palast überrascht war. Wir haben dann eine professionelle Kraft engagiert, um all die Anfragen zu beantworten.
SZ: Und der Hochzeitstag selbst?
Emanuel: Der war für uns wahnsinnig lang: Morgens die Braut zurechtmachen, permanent wurden wir von A nach B gefahren, wir mussten ständig in Dianas Nähe sein, auch in der Kirche, um das Kleid ausrichten zu können...
SZ: ...das angeblich viel zu groß war und nicht in die Kutsche passte...
Emanuel: ...stimmt, es warf vorübergehend viel zu viele Falten, aber selbst das wirkte am Ende dramatisch. Tatsächlich sind es diese kleinen Mängel, die einen Ablauf erst richtig perfekt machen. Am späten Abend jedenfalls kamen wir völlig erschöpft zu Hause an. Das Telefon klingelte, und Diana war dran, um sich für den wunderschönen Tag zu bedanken.
SZ: Sehr rührend.
Emanuel: Natürlich klingt das rührend, aber ich muss sagen, dieser Anruf hat mich wirklich glücklich gemacht.
SZ: Was hat sich im Unterschied zu damals verändert bei der Diskussion um Hochzeit und Kleid?
Emanuel: Der wichtigste Unterschied ist, dass der Palast den Designer der Robe bisher nicht bekanntgegeben hat. Ich vermute, dass der Name erst kurz vorher offiziell wird. Wenn Sie mich fragen, ist das heute der einzige Weg. In Zeiten von Mobiltelefonen, Hightechwanzen und Minikameras wird es immer schwieriger, ein Geheimnis zu bewahren.
SZ: Es wurde viel über Sarah Burton geredet, die neue Designerin bei Alexander McQueen. Haben Sie einen Tipp, wer das Rennen macht?
Emanuel: Bevor der Palast nichts bekanntgegeben hat, ist alles Spekulation.
SZ: Was sollte der Designer des Kleides beachten?
Emanuel: Ich denke nicht, dass er meinen Rat braucht. Aber wenn er sich daran orientiert, was die Wünsche der Braut sind, wird es funktionieren. Kate Middleton hat einen guten, klassischen Stil, und sie kennt sich in der Branche aus, sie werden gemeinsam etwas Tolles hinkriegen.
SZ: Was erwartet den Designer? Ewiger Ruhm? Oder wird er für immer nur mit dem Entwurf dieses einen Kleides in Verbindung gebracht werden?
Emanuel: Tatsächlich gab es Phasen, in denen ich es etwas schwierig fand, mich weiterzuentwickeln. Weil jeder immer wieder von demselben Kleid sprach, das alles andere zu überstrahlen schien. Trotzdem bereue ich absolut nicht, das Kleid entworfen zu haben. Allein eine solche Hochzeit auf diese Art mitzuerleben, das war phantastisch.
SZ: Mrs. Emanuel, wäre Dianas Hochzeitskleid heute noch tragbar?
Emanuel: Nein, wirklich nicht. Die Robe ist ein echtes Kind der 80er Jahre.