Süddeutsche Zeitung

Das Brautkleid von Lady Di:Wie im Märchen

So fühlte sich am 29. Juli 1981 nicht nur Diana Spencer, sondern auch Elizabeth Emanuel. Die Designerin entwarf das legendäre Hochzeitskleid - und stieß dabei auf einige Schwierigkeiten.

Marten Rolff

Irgendwo in Großbritannien ist ein Designer (Name: streng geheim) gerade schwer damit beschäftigt, das Hochzeitskleid für Kate Middleton anzufertigen. Was dieser Auftrag mit sich bringt? Keiner weiß das besser als Elizabeth Emanuel, 57. Gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann David hat sie vor 30 Jahren das Hochzeitskleid für Prinzessin Diana entworfen. Der Werbeeffekt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden - spätere Kunden der zuvor nahezu unbekannten Modemacherin waren Richard Branson, Elizabeth Taylor, Jerry Hall, Helen Mirren, Drew Barrymore, Charlize Theron und Shakira... Um nur einige zu nennen. Elizabeth Emanuel lebt und arbeitet in London.

SZ: Mrs. Emanuel, in England ist die Prinzenhochzeit Dauerthema, die meisten Spekulationen gibt es derzeit über das Kleid. Ihnen müssen diese Diskussionen wie eine Zeitreise vorkommen.

Emanuel: Es ist seltsam, wie Stimmung und Gerüchte denen in der Zeit vor 30 Jahren ähneln. Mit einem für mich entscheidenden Unterschied: Damals brannte mir das Thema auf der Seele, aber ich durfte mit niemandem darüber reden.

SZ: Wie ist das, wenn man als junge Designerin gefragt wird: Würden Sie das Hochzeitskleid für die Verlobte des Thronfolgers schneidern?

Emanuel: Ehrlich gesagt, mein Mann und ich hatten vorher schon ein wenig gehofft, den Auftrag zu bekommen. Nein, hoffen wäre wohl zu viel gesagt, wir waren ja gerade erst ein Jahr mit der Modeschule fertig. Präziser ist: Wir haben gewagt, ein bisschen davon zu träumen.

SZ: Aber Sie waren doch damals völlig unbekannt.

Emanuel: Das stimmt, aber wir hatten schon ein paar Stücke für Diana kreiert. Als der Auftrag kam, war ich gerade bei der Anprobe mit einer Kundin; das Telefon klingelte, und dran war Diana. Sie sagte nur: Würden Sie mir die Ehre erweisen, mein Hochzeitskleid zu schneidern? Und: Wir müssen das natürlich absolut geheim halten. Ich war sprachlos. Irgendwie begriff ich aber, dass dieser Moment unser ganzes Leben ändern würde. Ich rannte zurück zu der Kundin, sprudelte über vor Begeisterung, und die Frau wollte natürlich wissen, was los war. Ich rief: Stellen Sie sich vor, mein Bruder wird Vater, ich werde Tante, ach ich freu mich so! Es war frustrierend, in dieser Situation nichts sagen zu dürfen.

SZ: Wieso hatte Diana Sie ausgewählt?

Emanuel: Die Vogue hatte bei uns angefragt, ob wir eine hochgeschlossene Bluse für eine berühmte Frau liefern könnten. Sie sagten nicht, für wen. Wir hatten zufällig eine Chiffonbluse mit Schleife am Hals da. Dann sehen wir die Vogue. Abgebildet waren Diana und Charles, Sie wissen schon, das berühmte Verlobungsfoto, das Lord Snowdon gemacht hat. Und was trug sie? Unsere Bluse! Die gefiel ihr offenbar so, dass sie später anrief und um einen Termin bat. Sie war so zurückhaltend am Telefon, dass ich einen falschen Namen notierte. Worum es ging, begriff ich erst, als sie dann bei mir im Laden stand.

SZ: Es war der Beginn einer langen Zusammenarbeit.

Emanuel: Wir haben viel für sie entworfen, aber wirkliche Aufmerksamkeit erzielte erst ein schulterfreies schwarzes Abendkleid, das sie auf einem Charity-Dinner im März 1981 trug.

SZ: Über dieses Kleid stellten Sie einmal eher unbescheiden fest, Diana habe Ihr Geschäft als Kindergärtnerin betreten und sei als Filmstar wieder gegangen. In der Presse hieß es über die Robe, sie sei "Das Ende der Schüchternheit".

Emanuel: Mit diesem Kleid begannen die Spekulationen, ob wir wohl den Zuschlag für die Hochzeit hätten. Die Aufmerksamkeit war nun so riesig, dass der Palast sich gezwungen sah, die Namen der Designer offiziell zu verkünden.

SZ: Hatten Sie eine Ahnung, worauf Sie sich einließen?

Emanuel: Nein, darüber haben wir lieber nicht so genau nachgedacht. Wir hatten an diesem Punkt zum Nachdenken glücklicherweise auch keine Zeit mehr.

SZ: Ein Kleid für 700 Millionen Zuschauer. Wie geht man diesen Auftrag an?

Emanuel: Zuerst haben wir es den Mitarbeitern erzählt, wir hatten das Glück, dass wir allen vertrauen konnten. Dann fingen wir mit der Recherche an. Wie sahen die Hochzeitskleider der Königsfamilie zuvor aus? Gibt es Hinweise auf Gemälden? Wie muss ein Kleid in St. Paul's Cathedral wirken? Sie müssen endlos viele Fakten sammeln. Und sich dann wieder distanzieren. Das Kleid musste ja ein Statement seiner Zeit sein. Die 80er waren dramatisch: voluminöse Roben und überall Bänder, Besatz und Schleifen.

SZ: Diana war berühmt und berüchtigt zugleich für ihren heftigen Romantikstil.

Emanuel: In der Tat. Zum Vorgespräch erschien sie gemeinsam mit ihrer Mutter. Bei diesem Termin wurden erste Zeichnungen diskutiert. Und sie hat wirklich sehr viele Kleider anprobiert, damit wir ein Gefühl dafür bekamen, wonach sie suchte.

SZ: Ziemlich anstrengend, unter Aufsicht des Königshofes zu arbeiten, oder?

Emanuel: Das wirklich Beängstigende war eher, dass eigentlich niemand uns beaufsichtigte. Es gab keine Anweisungen, kein Protokoll. Wir waren verantwortlich und hätten tun können, was uns gefällt.

SZ: Wie trifft man da Entscheidungen?

Emanuel: Immer gemeinsam mit der Braut. Wir sind von einem Kleid in unserem Laden ausgegangen, dessen Silhouette Diana besonders gut gefiel. Um dieses Modell herum haben wir alle Details arrangiert. Es gab Dummys, Schnittmusterentwürfe und zahllose Anproben, Diana war reizend und geduldig. Manchmal kam sie allein, manchmal mit ihrer Schwester oder einer der Brautjungfern.

SZ: Wie lange hatten Sie Zeit?

Emanuel: Drei Monate. Für Hochzeitskleid, Garderobe der Brautjungfern- neben dem normalen Kundenbetrieb.

SZ: Ihre größte Angst?

Emanuel: Natürlich ist es einschüchternd, wenn Hunderte Millionen Menschen das Ergebnis deiner Arbeit sehen werden. Aber man kann sowieso nicht alle zufriedenstellen, also konzentrierten wir uns darauf, dass Diana zufrieden war.

SZ: Woher weiß man zum Beispiel, wie lang die Schleppe sein muss?

Emanuel: Wir fanden einfach, dass eine so pompöse Hochzeit eine Schleppe verlangt. Bei der Länge haben wir uns auch am Kirchenschiff von St. Paul's orientiert. Und aus den Archiven wussten wir, dass die längste Schleppe auf einer Hochzeit des Königshauses 23 Fuß lang war. Um die Großartigkeit des Anlasses zu unterstreichen, legten wir Dianas Schleppe auf 25 Fuß an. Wie sie damit die Treppe zur Kathedrale heraufschritt - das hatte eine extrem dramatische Wirkung.

SZ: Die Spekulationen um das Kleid waren endlos. Wie blieben die Details bei so vielen Beteiligten geheim?

Emanuel: Für Geheimhaltung und Sicherheit waren wir allein verantwortlich. Also heuerten wir einen privaten Wachdienst an und bauten Fensterläden ein. Kleid und Entwürfe wurden jede Nacht in einem Safe eingeschlossen. Für die Presse haben wir falsche Spuren gelegt.

SZ: Falsche Spuren?

Emanuel: Etwa bei der Farbe - Elfenbein. Es sollte ungewöhnlich wirken, sich von anderen Hochzeiten absetzen. Um das geheim zu halten, haben wir beim zuständigen Lieferanten stets mehrere Farbtöne desselben Materials bestellt. Zudem warfen wir falsche Stoffproben und Entwürfe in die Mülleimer hinterm Haus. Wir wussten, dass die Reporter darin regelmäßig herumwühlten und auch aus dem letzten Faden noch Schlüsse zogen.

SZ: Wurden Sie bedrängt?

Emanuel: Es gab so viele Spekulationen in der Presse, so viel Aufmerksamkeit, so viele Anrufe, dass selbst der Palast überrascht war. Wir haben dann eine professionelle Kraft engagiert, um all die Anfragen zu beantworten.

SZ: Und der Hochzeitstag selbst?

Emanuel: Der war für uns wahnsinnig lang: Morgens die Braut zurechtmachen, permanent wurden wir von A nach B gefahren, wir mussten ständig in Dianas Nähe sein, auch in der Kirche, um das Kleid ausrichten zu können...

SZ: ...das angeblich viel zu groß war und nicht in die Kutsche passte...

Emanuel: ...stimmt, es warf vorübergehend viel zu viele Falten, aber selbst das wirkte am Ende dramatisch. Tatsächlich sind es diese kleinen Mängel, die einen Ablauf erst richtig perfekt machen. Am späten Abend jedenfalls kamen wir völlig erschöpft zu Hause an. Das Telefon klingelte, und Diana war dran, um sich für den wunderschönen Tag zu bedanken.

SZ: Sehr rührend.

Emanuel: Natürlich klingt das rührend, aber ich muss sagen, dieser Anruf hat mich wirklich glücklich gemacht.

SZ: Was hat sich im Unterschied zu damals verändert bei der Diskussion um Hochzeit und Kleid?

Emanuel: Der wichtigste Unterschied ist, dass der Palast den Designer der Robe bisher nicht bekanntgegeben hat. Ich vermute, dass der Name erst kurz vorher offiziell wird. Wenn Sie mich fragen, ist das heute der einzige Weg. In Zeiten von Mobiltelefonen, Hightechwanzen und Minikameras wird es immer schwieriger, ein Geheimnis zu bewahren.

SZ: Es wurde viel über Sarah Burton geredet, die neue Designerin bei Alexander McQueen. Haben Sie einen Tipp, wer das Rennen macht?

Emanuel: Bevor der Palast nichts bekanntgegeben hat, ist alles Spekulation.

SZ: Was sollte der Designer des Kleides beachten?

Emanuel: Ich denke nicht, dass er meinen Rat braucht. Aber wenn er sich daran orientiert, was die Wünsche der Braut sind, wird es funktionieren. Kate Middleton hat einen guten, klassischen Stil, und sie kennt sich in der Branche aus, sie werden gemeinsam etwas Tolles hinkriegen.

SZ: Was erwartet den Designer? Ewiger Ruhm? Oder wird er für immer nur mit dem Entwurf dieses einen Kleides in Verbindung gebracht werden?

Emanuel: Tatsächlich gab es Phasen, in denen ich es etwas schwierig fand, mich weiterzuentwickeln. Weil jeder immer wieder von demselben Kleid sprach, das alles andere zu überstrahlen schien. Trotzdem bereue ich absolut nicht, das Kleid entworfen zu haben. Allein eine solche Hochzeit auf diese Art mitzuerleben, das war phantastisch.

SZ: Mrs. Emanuel, wäre Dianas Hochzeitskleid heute noch tragbar?

Emanuel: Nein, wirklich nicht. Die Robe ist ein echtes Kind der 80er Jahre.

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