Bilanz der Lebensmittelkontrolleure:Etikettenschwindel nimmt zu

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Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung sind bei Lebensmitteln weit verbreitet - und die Tricksereien werden noch zunehmen.

Silvia Liebrich

Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung sind bei Lebensmitteln weit verbreitet. Das monieren die Kontrolleure der staatlichen Überwachung in ihrem Jahresbericht. Sie beanstandeten außerdem, dass häufiger gegen Hygienevorschriften verstoßen wird. Verringert hat sich dagegen die Giftbelastung von Obst und Gemüse.

Wenig Appetitliches in der Schokolade: Kontrolleure finden Rückstände von Schimmelpilzen. (Foto: Foto: AP)

Wenn beim Brotbacken oder Wurstmachen die Vorschriften nicht eingehalten werden, ist das ein Fall für die Lebensmittelüberwachung. Auch im vergangenen Jahr deckte die Behörde zahlreiche Mängel auf. So ließe etwa die Verarbeitung von Geflügelfleisch bei einem Viertel der kontrollierten Betriebe zu wünschen übrig. So steht es im Jahresbericht 2008, den das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am Montag vorgelegt hat.

"Die Zahl der Verstöße gegen Hygienevorschriften ist nach wie vor hoch, da gibt es erhebliche Schwachstellen", sagte Abteilungsleiter Gerd Fricke. Bedenklich ist die hygienische Lage unter anderem in vielen Döner-Buden. In jedem dritten der 875 geprüften Läden beanstandeten die Kontrolleure Mängel beim Umgang mit Geflügelfleisch und die schlechte Schulung des Personals. Im Metzgereigewerbe wurde aus diesem Grund jeder fünfte Betrieb gerügt.

Auch ein Fünftel der untersuchten Speiseeis-Proben erfüllte nicht die Kriterien. Sie waren zu hoch mit gesundheitsschädlichen Bakterien belastet. Am häufigsten kritisierten die Kontrolleure hier jedoch die Irreführung der Verbraucher. In zahlreichen Fällen erwies sich vor allem Vanilleeis als Mogelpackung. Anstatt der angepriesenen echten Vanille enthielten 40 Prozent der Proben naturidentische oder künstliche Aromen, die im Labor unter anderem aus Schimmelpilzen gewonnen werden.

Tricksereien werden zunehmen

Fricke vom BVL sieht hier eine der größten Schwachstellen der Lebensmittelbranche: "Was die Irreführung und Täuschung von Verbrauchern angeht, haben wir ein Problem." Die falsche Angabe von Inhaltsstoffen und eine unvollständige Kennzeichnung ist nach seinen Worten weit verbreitet. Verstöße wie diese machen immerhin die Hälfte aller von den Behörden festgestellten Mängel aus. Als Beispiele nannte Fricke den umstrittenen Analogkäse, der aus Pflanzenfett und Wasser, nicht aber aus Milch besteht, oder Schinkenimitate mit einem verschwindend geringen Fleischanteil.

Beim BVL befürchtet man, dass die Tricksereien in den nächsten Jahren noch zunehmen werden. Schuld daran sei auch der globalisierte Warenhandel und dass immer mehr Lebensmittel über das Internet verkauft werden, die nur schwer zu kontrollieren seien. Auch die komplizierte Rechtslage trage eine Mitschuld. "Das Lebensmittelkennzeichnungsrecht ist beinahe so kompliziert wie das deutsche Steuerrecht", kritisierte Fricke, eine Einschätzung, die auch Professor Stefan Leible teilt, der Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth lehrt: "Die Kennzeichnung in Deutschland ist unverständlich." Nicht nur viele Unternehmen, vor allem die Verbraucher seien damit völlig überfordert.

Verbraucherschützer kritisieren, dass die Namen der beanstandeten Firmen nach wie vor nicht veröffentlicht werden, obwohl dafür das Verbraucherschutzinformationsgesetz sorgen soll. So fordert etwa Foodwatch, dass alle Kontrollergebnisse veröffentlicht und die Betriebe mit Namen genannt werden müssten. Dem widersprach Fricke vom BVL: "Namen zu veröffentlichen ist heikel, der Ruf eines Unternehmens kann dadurch erheblich geschädigt werden", sagte er. Hier gelte es, die Interessen abzuwägen.Wenn die Firma ruiniert wird, ist damit niemand gedient", ergänzte er. Das Gesetz ermöglicht es Verbrauchern jedoch, Anfragen zu Firmen und Produkten an die Behörden zur richten. Bislang haben davon laut BVL aber nur wenige Konsumenten Gebrauch gemacht.

Eine Verbesserung stellten die Kontrolleure bei Obst und Gemüse fest. Bei einem Großteil der untersuchten Proben seien weniger Rückstände von Pestiziden und Schwermetallen gefunden worden als in den Vorjahren, hieß es. Dagegen ergaben die Untersuchungen, dass Reis, Schokolade und Lakritze einen hohen Anteil an Giften aus Schimmelpilzen enthielten. Diese Rückstände wurden in knapp zwei Drittel aller Proben gefunden. Bislang gibt es in der Europäischen Union keine Grenzwerte, die den Verkauf von verunreinigtem Reis, Schokolade oder Lakritze beschränken würden.

Lebensmittelkontrollen sind Sache der Bundesländer, die Koordination und Auswertung aber übernimmt der Bund. 934.580 Kontrollbesuche gab es im Jahr 2008 in der deutschen Lebensmittelbranche. Damit warfen die Kontrolleure nach Angaben des Amtes einen kritischen Blick auf die Hälfte aller Betriebe, die mit Lebensmitteln zu tun haben.

© SZ vom 20.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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