Autobahntourismus:"Golfen ist Bullshit. Autoreisen sind aufregender"

Lesezeit: 2 min

Peter Sontag bringt Amerikaner nach Deutschland, um ihnen Straßen und Autobahnen zu zeigen. (Foto: privat)

Ohne Tempolimit über die deutsche Autobahn rasen - für Peter Sonntag ein Geschäftsmodell. Macht sich der Unternehmer Sorgen, dass damit bald Schluss sein könnte?

Interview von Max Sprick

Beliebte Ziele für Touristen in Deutschland sind Neuschwanstein, das Brandenburger Tor, der Kölner Dom - und die Autobahnen. So schnell fahren, wie man will, das klingt nach echtem Abenteuerurlaub. Peter Sontag war einer der ersten Unternehmer, der im Autobahn-Tourismus ein Geschäft sah. Vor mehr als 40 Jahren gründete der gebürtige Österreicher in Clearwater, Florida, seine Agentur "Fastlanetravel" und organisiert seitdem Gruppenreisen nach Europa, unter anderem mit dem Ziel, die deutschen Autobahnen zu erleben. Im Sportwagen, natürlich. Was sagt er zur deutschen Tempolimit-Diskussion?

SZ: Herr Sontag, machen Sie sich Sorgen?

Peter Sontag: Warum?

Deutschland diskutiert über ein Tempolimit , mit dem "fast lane travel" könnte bald Schluss sein.

Die Autobahn übt eine Faszination auf die Amerikaner aus, ganz klar. Kürzlich schrieb mir ein älterer Herr, nichts sei so aufregend gewesen wie der Moment, in dem er 250 km/h erreichte. Aber was die Leute wirklich begeistert, sind Hochalpenstraßen. Die Silvretta zwischen der Schweiz und Österreich zum Beispiel oder die Straßen am Großglockner, das sind die Highlights unserer Kunden. Da oben will man sowieso nicht schnell fahren, sondern die Aussicht genießen. Es geht bei unseren Reisen nicht primär um die Autobahn, das wäre Quatsch.

Lebensstil
:Umweltbewusstsein: Klimaaktivisten beobachten Anzeichen eines Wandels

Freisinger, die sich seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, beobachten Anzeichen eines Wandels: Das Umweltbewusstsein vieler Menschen steigt, ein entsprechend angepasster Lebensstil gilt sogar als cool.

Von Nora Schumann und Nadja Tausche

Sie kämen also auch zurecht, wenn man in Deutschland nicht mehr rasen dürfte?

Es gibt ja schon jetzt auf vielen Abschnitten ein Limit. Wir fahren zwar alle Porsche, aber meistens nur um die 130 Kilometer pro Stunde. Vielleicht einmal während der Tour fahren wir ein bisschen schneller, damit jeder Teilnehmer sagen kann: "Okay, wir haben die Autobahn erlebt." Sie sprechen dann immer von einer "once in a lifetime experience".

Sind Sie für oder gegen das Tempolimit?

Ich würde nichts verändern. Das ist die letzte Bastion der Freiheit in Deutschland.

Auch wenn Studien belegen, dass Menschenleben gerettet würden?

Schauen Sie auf die Interstates in Amerika, da darf man höchstens 121 fahren. Trotzdem ist die Zahl der Todesfälle zweieinhalb Mal so groß wie in Deutschland.

Warum?

Weil die Leute fahren wie verrückt, wenn sie es eilig haben. Es gibt kein Rechtsfahrgebot, die fahren hier wie im Slalom über die volle Interstate. So entstehen Unfälle. Deutsche Autofahrer fahren viel disziplinierter, viel vorsichtiger.

Bei Tempo 200 hat ein 22-Jähriger die Kontrolle über sein Auto verloren. Er war mit 1,8 Promille auf der A 93 bei Regnitzlosau unterwegs. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wie bereiten Sie Ihre Kunden vor?

In all den Jahren haben wir mehr als 8000 Menschen auf die Autobahn gebracht und hatten nicht einen Unfall. Darauf sind wir stolz. Vor jeder Abreise halten wir ein Seminar, in dem wir den Teilnehmern genau vermitteln, was erlaubt und was verboten ist.

Zum Beispiel?

Wir machen ihnen klar, dass Autobahn nicht automatisch "limitless" bedeutet, sondern weisen auf die Abschnitte mit Begrenzung hin. Wir sensibilisieren sie, dass in Deutschland strengere Regeln gelten als in den USA. Wir erklären ihnen die Rettungsgasse, die kennt hier niemand. Außerdem fahren wir immer in Gruppen, verbunden durch Walkie-Talkies und mit einem Guide am Anfang und am Ende der Kolonne. Es gibt eine andere Firma, die bringt ihre Kunden rüber, drückt ihnen die Autoschlüssel in die Hand und sagt: "Have fun and see you at the bar tonight." Wir behalten unsere Fahrer unter Kontrolle.

Wie kamen Sie darauf, Touristen auf die Autobahn zu schicken?

Mein Schwager war Mitglied in einem Porscheclub und kam auf mich zu: Seine Freunde wollten sehen, wo ihre Autos herkommen. Also habe ich eine Reise nach Stuttgart organisiert, das war der Anfang. Ich besaß früher mehrere Reisebüros, die Auto-Touren habe ich hobbymäßig nebenher organisiert. Nach dem Verkauf meiner Reisebüros habe ich dann eine neue Aufgabe gesucht. Ich hab's 20 Minuten mit Golf versucht und festgestellt: Golf ist Bullshit. Autoreisen sind aufregender.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ MagazinDebattenkultur
:Rasend vor Wut

Ob beim Tempolimit oder Klimawandel - Konservative gerieren sich heute gern als unterdrückte Rebellen, die für die Meinungsfreiheit kämpfen. Dabei geht es ihnen vor allem um die eigenen Privilegien.

Von Alena Schröder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: