Frankfurt am Main:Wärme, Schutz und Schlafgelegenheit: Designer für Obdachlose

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Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Warm durch den Winter kommen: Das ist für obdachlose Menschen eine besondere Herausforderung. Wer auf der Straße lebt, macht jetzt harte Zeiten durch - gerade jene, die aus verschiedenen Gründen Notunterkünfte meiden. Dem in Frankfurt lebenden Designer Radames Eger ist das nicht gleichgültig. Er näht und entwirft funktionale Kleidung, die nicht für Laufstege, Skipisten oder Berggipfel, sondern für das Leben auf der Straße geeignet ist.

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Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Warm durch den Winter kommen: Das ist für obdachlose Menschen eine besondere Herausforderung. Wer auf der Straße lebt, macht jetzt harte Zeiten durch - gerade jene, die aus verschiedenen Gründen Notunterkünfte meiden. Dem in Frankfurt lebenden Designer Radames Eger ist das nicht gleichgültig. Er näht und entwirft funktionale Kleidung, die nicht für Laufstege, Skipisten oder Berggipfel, sondern für das Leben auf der Straße geeignet ist.

„Obdachlose müssen sich im Winter bei Minusgraden nicht nur wegen der Kälte sorgen, sie leben auch mit der Angst vor Diebstahl und Gewalt“, sagt der Designer. Als er vor einigen Jahren anfing, seine Kleidung zu entwerfen, sprach er erst mal mit den Betroffenen, redete über ihre Bedürfnisse. Das Ergebnis floss dann in seine Arbeit ein: ein Mantel, der mit wenigen Handgriffen zum Schlafsack umfunktioniert werden kann. Oder zu einer Tasche, in der Obdachlose ihre Habseligkeiten sicher verstauen und mit sich tragen können.

„Im Sommer war es jetzt ja ordentlich warm“, sagt Rainer, ein 46 Jahre alter Mann, der auf den Straßen Frankfurts lebt, über seine Lebensbedingungen. „Aber jetzt, da wird es schon schlimmer, gerade in der Nacht.“

Was Armut ist, hat der zierliche Brasilianer Eger mit der Afro-Frisur und dem blauen Lidstrich selbst kennengelernt. Er wuchs in einer Favela auf, kommt aus einer kinderreichen Familie. „Keiner von uns wurde drogenabhängig oder kriminell. Das ist nicht selbstverständlich“, sagt er heute über seine Kindheit. Sein Tanztalent half Eger aus der Favela: „Ich konnte an einer Ballettschule lernen - einer, auf der sonst nur reiche Kinder waren.“

Mit 18 Jahren kam er als Tänzer an die Wiener Oper, die Liebe verschlug ihn nach Deutschland, seit acht Jahren lebt er in Frankfurt, machte eine Ausbildung als Schneider und Modedesigner. Zur Kleidung für Obdachlose kam er zunächst durch eine zufällige Begegnung: „Ich trug einen selbst gemachten Pullover, und ein Obdachloser hat mich darauf angesprochen.“

„Es kann nicht sein, dass in so einer reichen Stadt die Menschen leiden müssen“, betont Eger angesichts von Armut und Obdachlosigkeit in Frankfurt, der Stadt der Bankentürme. Bei seinen Entwürfen setzt er auf „Upcycling“ - die Bespannung von Regenschirmen bildet die wasserdichte Oberfläche, für Wärmeisolation sorgt Material aus Altkleidern. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Clubs und Kneipen, die ihn unterstützen - etwa mit gespendeten oder vergessenen Regenschirmen, die nach einer gewissen Zeit nicht abgeholt wurden.

Die Arbeit sei ein Lernprozess, auch im Austausch mit den Obdachlosen, sagt Eger. Alle zwei Jahre gibt es daher eine neue Kollektion. Derzeit kann der Mantel zur Hängematte statt zum Schlafsack umfunktioniert werden. „Dann sind die Menschen auch besser gegen Feuchte vom Boden geschützt. Wenn sie das in einem Park aufspannen, schlafen sie wie in einem Kokon“, meint der Designer.

Einiges an seinem Design bleibt ein Geheimnis zwischen Eger und den Obdachlosen: „Wer draußen schläft, hat auch Angst etwa vor Angriffen von Skinheads. Dann will keiner im Schlafsack feststecken. Ich verrate jedem, wie er ganz schnell rauskommen und weglaufen kann.“

Jetzt, wo die Nächte wieder kälter werden, will Radames Eger auch stärker an die Nöte von Menschen auf der Straße erinnern. Derzeit tourt er mit seiner Nähmaschine durch Deutschland und schneidert vor den Rathäusern von Städten in allen Bundesländern.

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