"Einander zu haben und zu halten, von diesem Tage an, in guten wie in schlechten Zeiten" - so lautet die wohl berühmteste Passage des Ehegelübdes. Anne Sinclair und Dominique Strauss-Kahn schlossen an einem Novembermorgen 1991 den Bund fürs Leben. Nun, nach 21 Jahren Ehe scheint Anne Sinclair genug von den schlechten Zeiten zu haben.
Das französische Boulevardblatt Closer hatte schon vor einem Monat über die Trennung der französischen Journalistin von dem ehemaligen IWF-Chef berichtet. Anfang der Woche bestätigte dann eine Quelle aus dem Umfeld des 63-Jährigen, dass das Paar mittlerweile in getrennten Wohnungen in Paris lebe. Andere Quellen sprachen gar davon, Sinclair habe ihren Mann aus der gemeinsamen Luxus-Wohnung am Pariser Place des Vosges hinausgeworfen. Das einstige Power-Paar schweigt sich aus, dementiert aber auch nichts.
Als sie Strauss-Kahn 1989 kennenlernte, hatte Sinclair bereits eine erfolgreiche Karriere vorzuweisen: Sie war Reporterin bei dem französischen TV-Sender TF1 und moderierte ihre eigene politische Sendung - 7 sur 7 -, wo sie erstmals ihren künftigen Gatten auf dem Studiosofa empfing. "Sie war sofort hingerissen von diesem Charmeur, der so intelligent wie witzig war", erinnert sich eine Kollegin Sinclairs.
Für ihre Klugheit und ihren beruflichen Erfolg wurde sie von vielen Frauen bewundert - nicht zuletzt, weil sie gar nicht nötig gehabt hätte, zu arbeiten: Sinclair gilt als äußerst vermögend, ihr Großvater war der mit Picasso befreundete Kunsthändler Paul Rosenberg. 1997 wurde Strauss-Kahn dann Finanzminister. Sinclair, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, gab ihre erfolgreiche Fernsehsendung für ihn auf.
Kein PR-Berater dieser Welt hätte für den sozialistischen Politiker leisten können, was seiner dritten Ehefrau mit ihrem bedingungslosen Rückhalt gelang. Immer wieder zog die 63-Jährige den Karren für Strauss-Kahn aus dem Dreck, ignorierte seine zahlreichen Seitensprünge und stärkte ihm den Rücken. Selbst als vor einem Jahr die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihren Mann aufkamen, stellte sich Sinclair demonstrativ hinter ihn. Legendär ist ihr Statement zu den Vorwürfen gegen ihren Mann: "Ich glaube keine Sekunde lang den Anschuldigungen, die gegen meinen Mann erhoben werden."
Ihre Loyalität schien grenzenlos: Sie finanzierte Strauss-Kahns Verteidigung im Strafverfahren in den USA und den Aufenthalt in einer teuren, 631 Quadratmeter großen New Yorker Stadtvilla. Sie hielt selbst dann noch zu ihm, als sich herausstellte, dass es tatsächlich sexuellen Kontakt zwischen Strauss-Kahn und einer Hotelangestellten gegeben hatte.
In einem Interview mit der Welt am Sonntag ließ Sinclair im März verlauten, wie sehr sie Hillary Clinton bewundere. Als 1998 die Affäre des damaligen US-Präsidenten mit der Praktikantin Monica Lewinsky publik wurde, schrie die Öffentlichkeit empört auf - nur seine Ehefrau schwieg. Erst Jahre später, 2003 in ihrer Biografie Living History ("Gelebte Geschichte"), äußerte sich die heutige US-Außenministerin das erste Mal zu den Vorfällen im Weißen Haus.
Warum halten Frauen wie Hillary Clinton und Anne Sinclair so lange zu ihren Männern, auch wenn diese sie öffentlich betrügen? In einer Studie der Ball State University in Indiana kamen Forscher zu dem Schluss, dass Frauen mehr unter emotionaler als unter sexueller Untreue leiden. Bei Männern sei es genau andersherum. Für Hillary Clinton und Anne Sinclair würde das bedeuten, dass sich beide Frauen der emotionalen Treue ihrer Ehemänner, auch während deren Affären mit anderen Frauen, immer sicher waren.
Bill Clinton unterstützte seine Frau stets öffentlich und leitete das Wahlkampfteam während ihrer Präsidentschaftskandidatur. Und Dominique Strauss-Kahn ließ als Erstes aus dem Gefängnis verlauten: " Ich denke zuerst an meine Frau, die ich mehr als alles andere liebe."
Nicht nur Hillary trieb nach den Affären ihres Mannes die eigene Karriere voran. Auch Anne Sinclair startete nach der Rückkehr aus New York voll durch. Während ihr Mann sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog, knüpfte sie an ihre journalistische Karriere an. Statt selbst in den Schlagzeilen zu stehen, setzt Sinclair mittlerweile als Chefredakteurin wieder selbst die Schlagzeilen bei der Frankreich-Ausgabe der renommierten Online-Zeitung Huffington Post. Währenddessen sei ihr Mann aktuell sehr gefrustet über seine mangelnden Jobperspektiven, heißt es in der französischen Presse.
Die Zeichen stehen gut, dass Sinclair in Zukunft sehr gut ohne ihren Mann zurechtkommen dürfte: Das Portal terrafemina.com wählte die Französin zur "Frau des Jahres 2011", in Beliebtheitsumfragen schneidet sie stets deutlich besser ab als Carla Bruni, die Gattin des ehemaligen Staatschefs Sarkozy.
Vor einigen Tagen stand die Französin ein letztes Mal in einem Akt der Loyalität an der Seite ihres Mannes: Gemeinsam reichte das Paar Klage wegen Verletzung der Privatsphäre gegen das Magazin Closer ein, das behauptet hatte, das Paar habe sich getrennt.
"Anne ist eine Löwin: wenn man ihren Mann angreift, greift man sie an", wurde einmal eine gute Freundin zitiert. Bilder, auf denen sie selbstbewusst den Arm ihres Mannes umfasst, ihn stützt und entschlossen in die Kameras blickt, gehören voraussichtlich der Vergangenheit an. Es scheint, als wäre die Löwin müde geworden. Oder einfach nur DSK überdrüssig. Offenbar hat sie erkannt, dass sie sich in Zukunft lieber für ein erfolgversprechenderes Projekt engagieren sollte: sich selbst.