Jubiläum in Essen:Warmwasser für den Kaiser

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Die Villa Hügel war lange Zeit das Zentrum der Industriellenfamilie Krupp. (Foto: Schöning/imago)

Einst Familien- und Firmensitz der Stahldynastie Krupp, heute einer der bedeutendsten Kulturorte des Ruhrgebiets: Die Villa Hügel feiert ihr 150-jähriges Bestehen.

Von Alexander Menden

Dass ein Bauherr die Entlassung seines verantwortlichen Architekten mit dessen Schlafbedürfnis begründet, ist ungewöhnlich. Doch genau das tat der Großindustrielle Alfred Krupp im Dezember 1870. In einem aufgebrachten Schreiben beschied er Eduard Schwarz, der damals die Bauarbeiten an der Villa Hügel leitete: "Wer schlafen oder in Städten sich amüsieren will, soll so eilig wie möglich machen, dass er fortkommt." Am 23. Dezember war der Boden unter der südwestlichen Ecke des Neubaus um 20 Zentimeter abgesackt. Schwarz, der nicht der erste Bauleiter war, den Krupp absägte, hatte es gewagt, zu diesem Zeitpunkt bereits zur Familienweihnacht nach Berlin gereist zu sein.

Das ist nur eine Episode in der ereignisreichen Entstehungsgeschichte der Villa Hügel, des ehemaligen Sitzes der Familie Krupp im Essener Stadtteil Bredeney. Das "Gartenhaus", der Krupp-Stammsitz mitten auf dem Werksgelände in der Stadt, war 1870 zu laut und zu schmutzig geworden. So skizzierte der Stahl-Patriarch eine Villa, die auf einem Hügel im Süden der Stadt aus dem bisweilen nachgebenden Boden gestampft wurde. Äußerlich ein neoklassizistischer Kasten mit 269 Räumen und 8100 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche, war es strukturell eines der modernsten Häuser seiner Zeit, aufgebaut auf einem Stahlgerüst, ausgestattet mit modernen Annehmlichkeiten: Es gab fließend warmes Wasser, was Kaiser Wilhelm II. als Gast besonders angenehm fand, ein (allerdings störungsanfälliges) Belüftungssystem, einen hydraulischen Lift.

Am 10. Januar 1873 zogen die Krupps ein. Die Villa Hügel war ein utilitaristischer Repräsentationsbau, Familiensitz und Konzernzentrale zugleich. Hier empfing Alfred Krupp gekrönte Häupter und Kunden aus aller Welt, mit denen er Geschäfte machte. Gut sechs Jahrzehnte später sollte auch Adolf Hitler in Essen absteigen, der sich die deutsche Jugend bekanntlich hart wie Kruppstahl wünschte. Alles an diesem Haus ist gigantisch, von der 16 Meter hohen Eingangshalle mit Familienporträts, hinab in die Küche mit Industriedimensionen, Reihen von Öfen, riesigen Schöpfkellen und Pfannen, bis ganz hinauf zur gusseisernen, rundum verglasten Dachgalerie, die Tageslicht durch eine ebenfalls gläserne, gewölbte Kassettendecke in die obere Halle schickt.

Martin Kippenberger gab das Buch "Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel" heraus

Dort, im ehemaligen "Wohnzimmer" der Krupps mit seinen Gobelins und Wandvertäfelungen, wird an diesem Freitag im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Festakt das 150-jährige Bestehen der Villa Hügel gefeiert. Es ist der Auftakt zu einem Jubiläumsjahr, das mit Installationen, Konzerten und Filmvorführungen begangen werden soll. Der letzte Krupp, der hier wohnte, war Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Nachdem amerikanische Truppen ihn im April 1945 verhaftet hatten, beschlagnahmten sie das damals noch 150 Hektar große Anwesen. Sieben Jahre lang war es Sitz der alliierten Kohlenkontrollkommission.

Als die Familie Krupp es 1952 zurückerhielt, wollte Alfried hier nicht mehr wohnen. Er stellte die Villa Hügel der Allgemeinheit zur Verfügung. Testamentarisch verfügte er, "die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln". Mit seinem Tod 1967 ging sein gesamtes Vermögen auf die von ihm gegründete, gemeinnützige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung über.

Die Villa Hügel ist trotz ihrer wechselvollen und durch die Nazi-Verstrickungen der Krupps auch belasteten Geschichte ein wichtiger Identifikationspunkt für Essen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sie sich zu einem der bedeutendsten und charaktervollsten Ausstellungs- und Veranstaltungsorte des Ruhrgebiets entwickelt. Im Jahre 1984 gründete der Manager und Krupp-Generalbevollmächtigte Berthold Beitz die "Kulturstiftung Ruhr" mit Sitz in der Villa. Sie sollte "dem kulturellen Leben im Ruhrgebiet neue Impulse zu geben".

Da sich die Einrichtung während der alliierten Nutzung in alle Himmelsrichtungen zerstreut hatte, bot sich nach deren Abzug viel leerer Raum, den es zu bespielen galt. Es gab hier bereits 1953 eine Dior-Modenschau. Das Museum Folkwang, das mit der Stiftung eng verbunden ist, zeigte hier immer wieder Teile seiner Sammlung. Besonders die Ausstellungen von Werken der Moderne im Kontext der Ästhetik der Kaiserzeit wurden zur Inspirationsquelle und Reibungsfläche für Künstler wie etwa Martin Kippenberger, der die Villa als Kind oft besuchte und 1996 ein Buch mit dem Titel "Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel" herausbrachte. Das Jubiläumsjahr 2023 bietet jetzt Gelegenheit, den Herausforderungen dieses einzigartigen Gebäudes neu zu begegnen.

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Die Villa Hügel in Essen war einst das Privathaus der Krupps. Heute ist der 269-Zimmer-Bau Teil der Stiftung Krupp, die gerade bewegte Zeiten durchläuft. Entsprechend angeregt verliefen die Gespräche beim Ausklang des SZ Kultursalons.

Von Susanne Hermanski

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