TV-Kritik: Anne Will:Hück for President

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Eine Neuauflage der großen Koalition darf es schon allein aus Unterhaltungsgründen nicht geben. Uwe Hück muss einfach Kanzler werden. Mindestens. Eine kleine Nachtkritik.

Melanie Ahlemeier

Wie sehr muss der Mann in der jüngsten Vergangenheit gelitten haben. Sechseinhalb Wochen lang war Uwe Hück, gefühlstechnisch oberster Betriebsrat der Nation, vom Bildschirm verschwunden, ja geradezu verbannt. Weil erst Volkswagen Porsche schluckte und dann der Lauf der Geschichte den bis dato amtierenden Sportwagenchef "Doktor Wiedeking", wie Hück zu sagen pflegt. Dabei hat der Porsche-Betriebsratsvorsitzende und zugleich stellvertretende Chef-Kontrolleur des Sportwagenherstellers aus Zuffenhausen immer irgendwie jede Menge zu sagen. Auch zu den ganz großen politischen Themen.

Uwe Hück, Porsche-Betriebsratsvorsitzender und stellvertretender Porsche-Chefkontrolleur. (Foto: Foto: ap)

"Abstiegsangst in Deutschland - wer sorgt jetzt für soziale Sicherheit?", wollte ARD-Talklady Anne Will am Sonntagabend wissen. Das klingt - gerade mal drei Wochen vor der Bundestagswahl - nach soziologisch angehauchten Theorien, nach schwerer Wahlkampfkost, sprich: nach purer Langeweile. Weil dieses wichtige, große Thema in 60 Minuten einfach nicht zu lösen ist. Doch eines sei ganz klar gesagt: Dampfplauderer Hück - mit jedem auf Du und Du - machte die oft ob ihrer Langeweile gescholtene Sendung zu einem echten Fernsehgenuss und damit zu richtig guter Unterhaltung.

Bitte sauber bleiben!

"Ich habe nichts dagegen, wenn Manager viel verdienen. Aber die Hygiene muss stimmen", echauffiert sich Hück stakkatomäßig und vermutlich mit der Herzfrequenz eines Kolibris. Auf seinem Stuhl rutscht er nervös hin und her. Nur Sekunden vorher hatte er die 50-Millionen-Abfindung für seinen ehemaligen Chef Wiedeking verteidigt, mit stoischer Gelassenheit und weil der einen Großteil des Geldes über eine Stiftung an die Porsche-Mitarbeiter zurückgibt. Für die 15-Millionen-Euro-Zahlung an den Ex-Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick hingegen hat Hück überhaupt kein Verständnis. Das demonstriert der Mann mit der markanten Frisur mit Verve.

Gerade mal sechs Monate saß Eick auf dem Arcandor-Chefsessel. Dafür das Geld für volle fünf Jahre? Hück redet sich in Rage, und er macht klar: Der Manager Eick, der wohl vor allem wegen eines PR-mäßig sehr gelungenen Auftritts mit Megaphon auf Trittleiter und weniger wegen einer glorreichen Unternehmensstrategie im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hängenbleiben wird, ist auch für Hück das Enfant terrible.

Auch mit dem frisch gekämmten FDP-Vertreter Otto Fricke, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag und ausgebildeter Jurist, liegt Thaiboxer und Betriebsrat Hück ("Ich komme von unten") nicht auf einer Linie. Denn als der Liberale mal wieder ein Plädoyer gegen den Mindestlohn hält, platzt dem Porsche-Mann der Kragen. "Ein Unternehmen geht nicht kaputt durch Löhne und Gehälter", wettert Hück gallig gegen Fricke, grätscht der Moderatorin Will - die er auch mit "Anne Will" anspricht - in ihre Frage und entschuldigt sich nur Minuten später per Handschlag und mit Schulterklopfen für seinen Zornesausbruch bei Fricke.

Ach ja: Andere Gäste waren auch noch da. Der Shootingstar der thüringischen Linken, Bodo Ramelow, die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast und Vermögensberater Christian von Bechtolsheim, der aber - wie Juristin Künast klarstellte - gar kein Adliger ist. Als Vertreter des realen Lebens im TV-Studio: Ex-Banker Thomas Brauße, der in den vergangenen Tagen gefühlt von allen Medien der Republik porträtiert wurde und vom Handelsblatt bereits den Namen "Der Würstchen-Banker" verpasst bekam. Seinen Job als Investmentbanker verlor der 44-Jährige im vergangenen Dezember. Vor wenigen Wochen hat er sich nun mit einer Würstchenbude im Frankfurter Bankenviertel selbständig gemacht - und bewirtet in der Mittagspause seine anzugtragenden Ex-Kollegen.

Aussöhnung an der Würstchenbude

Was bleibt von der kurzweiligen TV-Sendung am späten Sonntagabend? Erstens die Hoffnung, dass es das Schicksal gut meinen wird mit dem ehemaligen Banker Brauße. Zweitens die Hoffnung, dass sich Bodo Ramelow und Renate Künast endlich einmal richtig aussprechen, anstatt sich mit Blick auf die Quote nur anzuzoffen, ohne thematisch Fundiertes beizusteuern. Ein parteiübergreifendes Treffen an Braußes Würstchenbude, das Kapital in Gestalt des Bankenviertels ganz dicht vor Augen - das müsste doch möglich sein!

Und die dritte Hoffnung? Hück muss Kanzler werden! Warum? Für Polit-Inszenierungen und das große Ganze hat der gelernte Autolackierer das ganz große Gespür. Und weil er in der vereinten Autounion von Volkswagen und Porsche nach all den vergangenen Querelen eh keine große Nummer mehr wird, kann er gleich den Kanzlerjob übernehmen - der ist ja demnächst wieder zu vergeben. Das TV-Duell mit der versammelten Opposition jedenfalls hat Hück bravourös gemeistert. Und wer weiß, vielleicht kann der Mann sogar Bundespräsident. Aber das ist dann wirklich eine andere Wahl.

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