Gespräch mit Tsitsi Dangarembga:"Ich lasse mich nicht vertreiben"

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Tsitsi Dangarembga bei der Berlinale 2022, wo sie der Jury angehörte. (Foto: Hannibal Hanschke/picture alliance/dpa/Pool AP)

Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga steht in Simbabwe wegen eines friedlichen Protestes vor Gericht. Jetzt steht das Urteil bevor. Die Schriftstellerin über Meinungsfreiheit und Korruption in ihrem Land.

Von Jonathan Fischer

Für Tsitsi Dangarembga stellten sich in der letzten Juliwoche des Jahres 2020 alle Weichen neu. Im Guten wie im Schlechten. Nur drei Tage nachdem ihr Roman "This Mournable Body" für den prestigeträchtigen Booker Prize nominiert worden war, fand sich die simbabwische Schriftstellerin im Gefängnis in Harare wieder.

Ihrer Verhaftung vorausgegangen war ein friedlicher Protest am Straßenrand. Zusammen mit ihrer Freundin Julie Barnes hatte die Autorin, Dramatikerin und Filmemacherin Plakate umgehängt, auf denen sie gegen die Staatskorruption und für die Freilassung des inhaftierten Journalisten Hopewell Chin'ono protestierten. "We want better" und "reform our institutions" lauteten die Parolen auf Dangarembgas Schild. Ein friedlicher Aufruf zu Reformen also. Das reichte, um die beiden Frauen anzuklagen: Wegen Anstiftung zu öffentlicher Gewalt und Verstoß gegen die Covid 19-Regulierungen.

Zwar wurde Dangarembga am Folgetag gegen Kaution freigelassen, doch seitdem geht das Regime des autoritären Präsidenten Emmerson Mnangagwa gerichtlich gegen die unliebsame Schriftstellerin vor. Der inzwischen zwei Jahre dauernde Prozess ist eine Farce: Dreimal wechselte der Richter, mehrmals wurden die beiden Frauen vor Gericht geladen und unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Als dann am 31. Mai dieses Jahres endlich der erste Zeuge der Anklage, ein Polizei-Inspektor, aussagte, blamierten ihn Dangarembgas Anwälte im Kreuzverhör. Nicht nur musste die Staatsanwaltschaft offensichtlich manipulierte Beweisstücke zurückziehen. Der Zeuge bestätigte auch noch deren Manipulation: Auf den ursprünglichen Plakaten habe er weder etwas Obszönes noch einen Aufruf zur Gewalt erkennen können.

"Der zermürbende Drill, den Tsitsi und Julie durchmachen", schrieb Fungisai Sithole, eine Gerichtsbeobachterin von der in der Bildungsarbeit vor Ort engagierten deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung, "erinnert an die beharrlichen Bemühungen unserer Regierung, die Freiheit der Meinungsäußerung und des Protestes zu kriminalisieren." An Dangarembga und Barnes werde ein Exempel statuiert, um alle potenziellen Demonstranten abzuschrecken. Auch Amnesty International hatte gegen "den Angriff auf Verteidiger der Menschenrechte" protestiert. Der Schriftstellerverband PEN verlieh Dangarembga Anfang 2021 als Reaktion auf ihre Verhaftung den "International Award For Freedom of Expression" für ihre "mutige Arbeit als Autorin, Filmemacherin und Aktivistin". Im Herbst desselben Jahres nahm sie in Frankfurt den Friedenspreis des deutschen Buchhandels entgegen.

Die simbabwische Schriftstellerin - in Deutschland erscheinen ihre Bücher im Orlanda-Verlag - konnte in den vergangenen Jahren wegen des physischen und psychischen Stresses im Zusammenhang mit ihrem Prozess kaum an neuen Projekten arbeiten. Anfang Mai glückte ihr die Ausreise nach Deutschland zu ihrem Ehemann, dem deutschen Filmemacher Olaf Koschke, und ihren drei Kindern. Ob die Anklage gegen Dangarembga, der eine mehrjährige Haftstrafe droht, auf Antrag der Verteidigung fallen gelassen wird, entscheidet ein Gericht in Harare voraussichtlich am Montag, den 27. Juni. Über den laufenden Prozess kann sie nicht sprechen.

SZ: Frau Dangarembga, am Tag Ihrer Verhaftung vor zwei Jahren hatte die Opposition in Simbabwe zu Massenprotesten aufgerufen, die dann aber von den Ordnungskräften der Regierung im Keim erstickt wurden. Wie sieht die Situation in Ihrer Heimat im Moment aus?

Tsitsi Dangarembga: Die ökonomische und soziale Krise im Land verschärft sich seit Langem: Das Gesundheits- und Bildungssystem fällt auseinander, die heimische Industrie kollabiert - und das heißt auch, dass es immer weniger Jobs gibt. Nach einigen Berechnungen haben wir in Simbabwe die höchste Inflationsrate weltweit. Der Kampf für Menschenrechte erscheint da vielen meiner Mitbürgern eher zweitrangig.

Sie haben als Schriftstellerin trotzdem explizit für verhaftete Journalistenkollegen Partei ergriffen und Meinungs- und Pressefreiheit angemahnt.

Viele Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, dass Forderungen nach Jobs, Gesundheit, Bildung und einer besseren Lebensqualität nur dann Erfolg haben können, wenn es eine Kultur des Respekts und der Wahrung der Menschenrechte gibt.

Heißt das, der Kampf um Meinungsfreiheit wird vor allem von der urbanen Mittelklasse des Landes geführt?

Ich fühle mich als Schriftstellerin verpflichtet, zusammen mit anderen Intellektuellen diese Ideen in den öffentlichen Diskurs zu tragen. Der Demonstrationsaufruf am Tag meiner Festnahme richtete sich gegen die Korruption. Damit kann ich mich identifizieren. Denn letztlich ist die Korruption für die Misere der Menschen verantwortlich. Wir propagieren dagegen Ehrlichkeit, Rechenschaft der Regierung und Respekt vor ihren Bürgern. Als Schriftstellerin diene ich der Gesellschaft. Wenn ich mich nicht für gesellschaftliche Werte einsetze, kann ich meine Arbeit nicht machen.

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Sie gelten als bekannteste Schriftstellerin Ihres Landes und die erste, die es wagt, auf Englisch zu schreiben. Im Westen werden Ihre Bücher von der Kritik hochgelobt. Welchen Status haben Sie daheim?

Zumindest kennen meine Landsleute meinen Namen. Ich gehe davon aus, dass jeder, der in Simbabwe zur Schule gegangen ist, zumindest eines meiner Bücher gelesen hat.

Ihre Romane handeln immer wieder von kämpferischen Frauen, die sich gegen alle familiären und politischen Widerstände Bildung und Respekt in der Gesellschaft verschaffen. Macht dieser Einsatz für Frauenrechte Sie für die Regierenden zum Dorn im Auge?

Ich glaube nicht, dass meine Bücher politisch gefährlich sind. Aber es gibt Menschen in Simbabwe, die sie als zu feministisch ablehnen. Weil für sie der Feminismus eine westliche Idee ist, die nicht nach Afrika gehört.

Grund genug für das Regime, Sie mundtot machen zu wollen?

Gewisse Kreise in Simbabwe stört auch meine Anerkennung im Ausland. Sie bezeichnen mich als Puppe des Westens. So hoffen sie, mich zu diskreditieren.

Weil der Westen bereits seit der Herrschaft von Präsident Emmerson Mnangagwas Vorgänger Robert Mugabe für alle eigenen Versäumnisse verantwortlich gemacht wurde?

Ja, auch wenn der Präsident heute einen anderen Namen hat, regiert immer noch dieselbe Partei mit denselben Schuldzuweisungen an den Westen und dessen angebliche Machenschaften. Dabei ist das ganze ziemlich heuchlerisch. Denn dieselben Politiker, die mit dem Finger auf Europa und Amerika zeigen, haben dort selbst gut gefüllte Bankkonten.

Politische Beobachter spekulieren, der Regierung wäre es ganz recht, wenn Sie im Exil blieben. Was werden Sie im Falle eines Freispruchs tun?

Ich hoffe, dass das Gericht die Anklagen gegen mich am Montag fallen lässt. Dann werde ich mit Sicherheit nach Simbabwe zurückkehren. Ich möchte mich als Simbabwierin in das Leben, das tägliche Ringen für Gerechtigkeit einbringen. Das ist mein Land, und ich lasse mich nicht vertreiben.

Haben Sie denn Hoffnung, dass sich in Ihrem Land bald etwas zum Besseren ändert?

Meine Hoffnung für Simbabwe hängt von den Menschen dort ab. Ich wünsche mir, dass sie verstehen, dass wir in einer globalen Gesellschaft leben, die auf menschliche, demokratische Werte angewiesen ist. Dass es nicht darum geht, als Individuen möglichst viel Besitz anzuhäufen - sondern darum, als Gemeinschaft in gutem Einverständnis zusammenzuleben.

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