Theater:Zum Teufel mit den Barrieren

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Beim "Blind Date" im Metropol-Theater gibt es Vorstellungen für sehbehinderte Menschen. Zum Auftakt der Reihe ist das Erfolgsstück "Black Rider" zu erleben, das auch Gehörlosen zugänglich gemacht wird

Von Barbara Hordych

Viola von der Burg (hier mit Christian Baumann und Andreas Thiele) war schon als Teufel "Stelzfuß" dabei, als Jochen Schölchs "Black Rider" im Metropol startete. (Foto: Hilda Lobinger)

Diese Vorstellung für Sehbehinderte im Metropol-Theater hat sich tief in Ari Mogs Erinnerung eingegraben: "Die Besucher hatten vorher die Möglichkeit, die Bühne zu begehen und die Schauspieler kennenzulernen", sagt Mog, der als Experte der Firma "Hörfilm" Audiodeskriptionen erstellt und in diesem Fall auch live eingesprochen hat. Die Darsteller hätten erzählt, wie sie aussähen und den Blinden angeboten, ihre Kostüme zu ertasten. Selbst die Blindenhunde spielten hervorragend mit. "Sie saßen in einer Reihe und behielten die Ruhe, obwohl bei der Vorführung auch Theaterschüsse fielen", erinnert sich Thomas Flach, Vorstandsmitglied im Metropol-Theater. Das war vor zwei Jahren, bei der Bühnenadaption des Musikfilmdramas "Wie im Himmel".

Eine beeindruckende Erfahrung, die den Anstoß zu einer eigenen Hörtheater-Reihe gegeben hat: Am Sonntag, 2. Dezember, wird eine der letzten Vorstellungen von Jochen Schölchs gefeierter "Black Rider"-Inszenierung mit Live-Audiodeskription aufgeführt. Tom Waits' und Robert Wilsons exzentrisch raue Adaption der romantischen "Freischütz"-Oper bildet den Auftakt der Reihe "Blind Date", die im Metropol künftig dreimal im Jahr Vorstellungen mit akustischer Bildbeschreibung anbieten will. "Wegen des Titels haben wir extra beim Bayerischen Blindenbund nachgefragt, ob die Mitglieder sich auf die Füße getreten fühlen könnten", sagt Flach. "Bitte keine falsche Rücksichtnahme", bekam er zur Antwort, im Gegenteil, man fände "Blind Date als Titel richtig cool".

Viola von der Burg (hier mit Christian Baumann und Andreas Thiele) war schon als Teufel "Stelzfuß" dabei, als Jochen Schölchs "Black Rider" im Metropol startete. (Foto: Hilda Lobinger)

Das Erstellen einer Live-Audiodeskription ist eine aufwendige Angelegenheit, sowohl für das Theater als auch für die Experten der Firma Hörfilm. Eine Aufgabe, die Mog gemeinsam mit seiner Kollegin Marion Hollerung übernimmt. Die Vorstellung verfolgen sie hinter den Zuschauern, in der Technik, auf einem kleinen Bildschirm. Aber natürlich haben sie sich die Produktion auch schon vorher auf Video und im Theater angeschaut, um die Szenen und Abläufe kennenzulernen. "Für gewöhnlich erstellen wir Audiodeskriptionen für Filme, das ist eine uns vertraute Arbeitsweise mit verlässlichem Timing im Studio. "Live eine Theatervorstellung zu beschreiben, ist dagegen etwas ganz anderes", sagt Mog. Denn da könne man nicht stur am Text bleiben, sondern müsse spontan auf Änderungen reagieren. "Sicher wäre es für alle Beteiligten einfacher gewesen, eine kleine, feine Inszenierung zu nehmen, wie sie bei uns im Theater-Anbau gespielt wird. Doch das wollten wir ganz bewusst nicht. Alles Gute fing bei uns vor genau 20 Jahren mit dem Black Rider an. Also wollten wir uns auch der Herausforderung stellen, unsere große Erfolgsinszenierung barrierefrei zu vermitteln", erklärt Thomas Flach das ambitionierte Projekt. Das übrigens schon damit beginnt, dass die angemeldeten Besucher am U-Bahnhof Freimann abgeholt werden. "Denn für Blinde ist das ein Abenteuer, sich in unbekannte Räume wie das Metropol zu wagen", sagt Flach.

Nachdem der Entschluss stand, kam eine weitere Idee hinzu. Warum die Vorstellung nicht auch für Gehörlose zugänglich machen? "Sie fühlen sich durch das Gewisper im Kopfhörer des Sitznachbarn doch keinesfalls gestört. Umgekehrt irritiert es die Sehbehinderten überhaupt nicht, wenn Gebärdensprachdolmetscher auf der Bühne unterwegs sind." Die Aufgabe, die Geschichte um eine Gewehrkugel, die immer trifft, um Liebe, Tod und Teufel aus der Lautsprache in die Gebärdensprache zu übersetzen, übernehmen Simone Hofmüller und Susanne Wuol. Mehrmals waren auch sie bei den Proben. "Die beiden können nicht nur die Dialoge auswendig, sie wissen auch genau, wo die Schauspieler auf- und abtreten, denen sie teilweise wie ein Schatten folgen. Sie kennen die Inszenierung jetzt eigentlich genauso gut wie derjenige, der die Abendregie macht", sagt Flach.

Wichtig war, die beiden Dolmetscherinnen so zu positionieren, dass sie bis zu den Kniekehlen gut sichtbar sind. "Beim Gebärdensprachdolmetschen werden sogar die Oberschenkel und Hüften eingesetzt, um Botschaften zu vermitteln", sagt Flach. Da auch die Mimik für das Verständnis der Emotionen wichtig sei, müssten die gehörlosen Besucher ganz vorne am Bühnenrand sitzen, um die Schauspieler und die Dolmetscherinnen genau im Blick zu haben. Simone Hofmüller hat sogar ein eigenes Video in Gebärdensprache gedreht, mit dem sie auf diese Vorstellung aufmerksam macht (im Internet unter tinyurl.com/ybg8e56v). In der vermutlich auch der eine oder andere Blindenhund sitzen dürfte. Gab es schon jemanden, den diese Information bei der Kartenreservierung abschreckte? "Mir ist kein Fall bekannt", sagt Flach.

Blind Date: The Black Rider , Sonntag, 2. Dezember, 19 Uhr, Metropol-Theater, Floriansmühlstraße 5.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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