"The Circle" im Kino:"The Circle" ist "1984" für Dumme

Lesezeit: 4 Min.

Die Entwicklung von Mae (Emma Watson) zur Symbolfigur eines gefährlichen Silicon-Valley-Konzerns ist kaum nachvollziehbar und völlig daneben. (Foto: Universum)

Zwischen Schultheater und Chatbot: Die Bestseller-Verfilmung mit Emma Watson und Tom Hanks ist eine lieblose Überwachungsdystopie. Das Wesentliche erfasst sie gar nicht.

Von Juliane Liebert

Der Film "The Circle" schaut aus, als hätte der Regisseur James Ponsoldt mal so richtig keinen Bock gehabt, ihn zu drehen. Wer weiß, vielleicht ging er davon aus, dass das Ding eh laufen würde, es basiert ja immerhin auf einem Millionenbestseller. Oder vielleicht hatte er auch einfach Wichtigeres im Kopf. Hat nebenbei seinen Golfschein gemacht. Hoffentlich hat er nebenbei seinen Golfschein gemacht, dann wären die anderthalb Jahre seines Lebens wenigstens nicht ganz verschwendet.

Das gleichnamige Buch von Dave Eggers hatte bei seinem Erscheinen 2013 ausführliche Debatten ausgelöst. Es sei mindestens das neue "1984" hieß es, die Dystopie zur Digitalisierung. Liest man den Roman jetzt wieder, fragt man sich, wieso. Es geht um eine junge Frau, Mae, die in einem Google-Facebook-Hybridkonzern namens "The Circle" Karriere macht. Dabei hilft sie mit, einen Überwachungsstaat zu errichten. Die Firma wird von drei "Weisen" geleitet, die auf die Überwachung und Veröffentlichung aller Aspekte des privaten und öffentlichen Lebens hinarbeiten - und Mae, im Film gespielt von Emma Watson, soll zu ihrer Symbolfigur für dieses neue Leben werden.

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Als Idee spannend, aber bereits das Buch liest sich, als sei es von einer leistungsfähigen künstlichen Intelligenz geschrieben worden, die man mit Material aus dem Kurs für kreatives Schreiben gefüttert hat. Die Dialoge pendeln irgendwo zwischen Schultheater und Chatbot. Insofern war "The Circle" mehr ein "1984" für Dumme.

Dafür hatte das Buch immerhin eine schlüssige Dramaturgie. Die fehlt dem Film. Man hat überhaupt keine Zeit, in die Figurenkonstellationen hineinzufinden oder mit den einzelnen Charakteren warm zu werden. Dabei sind mit Tom Hanks und Emma Watson Weltstars für die Hauptrollen besetzt worden, die ja nun wahrlich keine schlechten Schauspieler sind. Doch der Regisseur hechelt die einzelnen Handlungsschritte einfach durch. Das größte Problem seines Films ist aber, dass er seine Story als holzschnittartige Überwachungsdystopie mit Gehirnwäsche erzählt und damit das Wesentliche am Silicon-Valley-Utopismus gar nicht erfasst. Der funktioniert nämlich gerade nicht mit stumpfen Slogans. Firmen wie Apple oder Facebook tun im Gegenteil immer so, als würden sie wahnsinnig viel Wert auf Privatsphäre legen.

Regisseur James Ponsoldt ist ein Held des Independent-Kinos, aber hier misslingt ihm fast alles

Klar, Satire darf überzeichnen, oder muss es sogar. Aber hier wird der Kernpunkt mehr verwischt als herausgearbeitet. Der Erfolg der sozialen Netzwerke beruht nicht auf Zwang, sondern auf Verführung. Der Silicon-Valley-Utopismus erkennt die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen sehr gut und nutzt sie für sich. Er muss niemanden erpressen, wie in dieser Geschichte, die Leute streamen ihr Leben schon freiwillig rund um die Uhr live. Weil sie Aufmerksamkeit wollen. Feedback. Sie wollen gesehen werden. Wollen das Gefühl, geliebt zu werden, so billig und durchschaubar diese Pseudoliebe auch ist. Facebook zwingt niemanden, seine Privatsphäre auf die Server zu schaufeln. Aber alle tun es. Insofern verfehlt nicht nur der Film das Thema, sondern auch das Buch verfehlte es schon.

Nur hat der Film zusätzlich das Handicap, dass er sich keine Zeit nimmt, den Zuschauer überhaupt in die Welt des Circle eintauchen zu lassen. Mae kommt an - und steckt sofort voll im Trouble. Außerdem sieht die filmische Umsetzung eher billig aus. Das zeigt sich in der Szene, in der Mae in ihrem Kajak bei Nacht beinahe ums Leben kommt. Für einen so dramatischen Moment fehlt das visuell Überwältigende. So, wie es hier aussieht, hätte man es gefühlt genauso in einem Planschbecken drehen können. Dunkelheit, Nebel, Schiffshorn, Panik. Wie sie dann vom Hubschrauber gerettet wird, sieht irgendwie verdächtig nach preisgünstigem Studio statt San Francisco Bay aus. Auch der Filmscore ist nicht besonders gelungen. Er ist viel zu konventionell dafür, dass man von Menschen erzählen will, die alles umkrempeln wollen; von einer Parallelwelt, die das Paradies oder die Hölle auf Erden ist. Da hat der Hollywoodmainstream schon wesentlich bessere Filmmusik hervorgebracht.

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Total daneben gegangen ist auch die Entwicklung von Annie, Maes bester Freundin. Eben rudert sie noch mit den Armen, in der nächsten Szene ist sie leichenblass mit Augenringen. Ja, wir haben verstanden: Es geht ihr nicht gut. Aber man kapiert überhaupt nicht, warum sie von heute auf morgen ein Wrack ist.

Dabei hat Regisseur James Ponsoldt bislang ziemlich gute Sachen gemacht, etwa "The End of the Tour" über den Schriftsteller David Foster Wallace. Ponsoldt war in den letzten Jahren eine der spannendsten Figuren des US-Independentkinos. "The Circle" ist sein erster größerer Film, und vielleicht liegt hier schon das Problem, vielleicht ist er als Künstler einfach nicht der Richtige für eine Mainstream-Produktion.

Einziger Trost: Das Ende des Filmes ist fast klüger als das des Buchs, weil es in der Schwebe bleibt, wie gruselig die Welt ist, die Mae geschaffen hat. Ob sie sich gegen ihre Chefs wendet, um die Technik wieder unter Kontrolle zu bringen, oder ob sie sich nur selbst zum Guru der paternalistischen Transparenz aufschwingt, man erfährt es nicht. Man könnte das offene Ende des Films natürlich auch so verstehen, dass eine "faire" Transparenz, also eine, die für alle gilt und keine mächtigen Milliardäre als Herrscher über die Daten zulässt, ernsthaft eine Option wäre. Dann würde der Film praktisch die Ideologie des Silicon Valley übernehmen, dass alle Probleme technisch gelöst werden können.

Auch wenn man der Serien müde wird, es wäre das bessere Format für "The Circle" gewesen

"The Circle" hätte als verfilmte Geschichte mehr Muße gebraucht. Auch wenn man von der epischen Erzählweise der großen Fernsehserien inzwischen schon wieder angeödet sein kann, wäre das in diesem Fall wohl die bessere Form gewesen. Als die ersten aufwendigen Serien Furore machten, waren alle begeistert. Nachdem sie zum Standard wurden, stellte sich heraus, dass diese Erzählweise auch ökonomischen Gesichtspunkten folgt. Dadurch entsteht nie eine klare narrative Form, weil die Fortsetzbarkeit immer gegeben sein muss. Im Kino gibt es ein ähnliches Problem durch die Inflation der Sequels. Es gibt praktisch keine Katharsis mehr, sondern nur noch ewige Dramatik bis zur Erschöpfung (und darüber hinaus).

In dieser Hinsicht ist "The Circle" aber eine Ausnahme. Das Format Serie wäre besser gewesen, um die Story in Ruhe zu entwickeln, um den ganzen gigantischen Circle-Kosmos und die Krakenhaftigkeit dieses Unternehmens zu zeigen; und vielleicht auch um einige Holprigkeiten der Romanvorlage ausbessern zu können.

The Circle , USA 2017 - Regie: James Ponsoldt. Buch: James Ponsoldt, Dave Eggers nach seinem Roman. Kamera: Matthew Libatique. Mit: Emma Watson, Tom Hanks, Ellar Coltrane, Glenne Headly, Karen Gilian. Universum, 110 Minuten.

© SZ vom 06.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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