Musik-Plattformen:Zu viel Lärm

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Findige Anbieter nutzen die Vergütungsmodelle der Streaminganbieter bis an die Grenze aus. (Foto: John Nacion/imago images/ZUMA Wire)

Bei Spotify werden massenhaft Stücke angeboten, die nur Geräusche enthalten. Die Hersteller verdienen Geld mit minimalem Aufwand, das wollen Streamingdienste künftig unterbinden.

Von Hans von der Hagen, München

Eines der erstaunlichsten Phänomene auf den Plattformen der Musikstreaming-Anbieter ist das offenkundig große Interesse der Hörer an schlichten Geräuschen: Wellen, Gewitter, Regen - oder einfach nur: Rauschen. Letzteres kann leicht am Rechner erzeugt werden, manche nehmen auch bloß einen laufenden Fön auf und laden den Mitschnitt als "White Noise", weißes Rauschen, bei Spotify oder Deezer hoch. Es gibt auch rosa oder braunes Rauschen, das tiefere Frequenzen betont und vielleicht mal nach Wellengang oder Regen klingt. Manche der angebotenen Stücke kommen mittlerweile auf Hunderte Millionen Streams. Mitunter werden auch ganze Podcasts angeboten: Da rauscht es dann auch mal mehrere Stunden am Stück.

Nun kennt die Musikgeschichte durchaus Avantgardekünstler, die mit raffinierten Geräuschkompositionen ganze CDs zu füllen wussten. Doch hier geht es um geballte Eintönigkeit, die die Hörer nicht beeindrucken will, sondern - so die Theorie - Konzentration steigern oder das Einschlafen erleichtern soll. Möglich, dass die Streams bei manchen auch so wirken. Wirkung anderer Art entfalten sie freilich bei jenen, die sie erstellen: Weil die Geräusch-Streams trotz geringerer Mühen bei der Herstellung genauso vergütet werden wie Musik, dürfte zumindest für einige das Geschäft mit dem Rauschen lukrativ sein. Zu lukrativ - befand jetzt Spotify. Denn findige Anbieter haben einen Weg gefunden, das System bis zum Anschlag auszureizen. Sie reihen etwa Stücke in Playlists aneinander, die mit 31 Sekunden so gerade eben die Mindestlänge für einen Stream haben. Was sich für den Hörer dann wie ein langes Stück anhören mag, sind tatsächlich viele kurze - und für jedes einzelne schüttet Spotify etwas Geld aus. Aus Sicht des Unternehmens ist das ein "perverser Anreiz", zumal gerade die Geräusch-Tracks oft über Stunden laufen. So können schon ganz stattliche Beträge zusammenkommen. Ein Branchen-Newsletter der Agentur Bloomberg führte als Beispiel für den Erfolg Geräusch-Podcaster an, die monatlich dank Werbeeinnahmen auf 18 000 Dollar gekommen waren.

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Nun stellt Spotify das System um. Einzelne Geräusch-Streams müssen dann mindestens zwei Minuten angehört werden, bevor überhaupt Geld fließt. Zudem sollen sie nur noch mit einem Bruchteil des bisherigen Betrags vergütet werden. Der soll schon jetzt hart an der Grenze des Messbaren liegen. Experten schätzen vage, dass im Schnitt für einen Stream derzeit vielleicht 0,003 Cent ausgeschüttet werden - es gibt da keinen eindeutigen Betrag. Klar ist wohl nur: Künftig muss ein Fön schon sehr lange laufen, bis da noch etwas Geld zusammenkommt.

Noch schärfer als Spotify geht übrigens der Konkurrent Deezer gegen die Geräusch-Streamer und auch künstlich generierte Musik vor. Weil der französische Streaminganbieter in der Flut von Inhalten, die "ohne bedeutsames Engagement" entstanden sind, eine Gefahr für das bisherige Geschäftsmodell sieht, sollen diese gleich ganz von der Plattform verschwinden. Fast zumindest. Geräusche soll es schon noch geben, aber Deezer will sie selbst produzieren.

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