Nur mal so in die Runde gefragt, weil jetzt also das neue, fabelhafte Album des amerikanischen Songwriters Father John Misty erscheint, und es zur Erklärung nicht kleiner geht: Wie geht's Pop eigentlich gerade so? Also dieser unwiderstehlich schillernden Parodie unser eigenen Träume, die längst so viel mehr als Musik ist und zudem eine verflixt ernste Sache? Denn wäre sonst - wie einst Ronald Reagan - je ein Hollywood-Schauspieler amerikanischer Präsident geworden? Oder nun ein Reality-TV-Star wie Donald Trump? Wäre Großbritannien aus der EU ausgetreten? Wäre Obama Friedensnobelpreisträger, der Fußball König, Franz Beckenbauer Kaiser und Udo Lindenberg wieder halbwegs nüchtern geworden? Der Pop also, wie geht' dem eigentlich so? Ist er wenigstens noch halbwegs bei Trost?
Nur weil gerade ja wirklich die Löcher aus dem Käse fliegen und alles, woran man als liberaler Westler einmal zu glauben gewagt hat, zur Disposition steht: die Gleichheit, die Toleranz, die Humanität, die Gerechtigkeit, die Wahrheit. Und weil Pop doch einmal diese irre Kraft war, die nur das Gute wollte und dabei gar nicht so kurz sprang.
Kann Pop der Lage mehr als schlechte Kalauer entgegensetzen? Ja, er kann
Wie zum Hohn spielte Trump ja nicht nur Musik von R.E.M. oder den Rolling Stones bei seinen Veranstaltungen. Er unterlegte gegen Ende seines Wahlkampfs sogar einmal einen - wie ein Musikvideo geschnittenen - Wahlwerbespot komplett mit "Seven Nation Army" von den White Stripes, also mit der Indierock-Hymne von der guten Seite der Macht schlechthin.
Er hatte dann mit dem Band-Line-up seiner Inauguration ein Problem und bekam nur einen Mormonen-Chor. Aber die ganzen Anti-Trump-Songs klangen nach der Wahl trotzdem seltsam schal, läppisch, hilflos. Am meisten Aufsehen erregte die Indiepop-Sängerin Fiona Apple mit "Tiny Hands", der auch auf vielen Protest-Demos gesungen wurde. Sie singt darin in Anspielung auf das absurde Wahlkampfscharmützel um die angeblich unterdurchschnittliche Handgröße und also Unmännlichkeit Trumps und seine feiste Frauenfeindlichkeit: "We don't want your tiny hands / Anywhere near our underpants - Wir wollen deine winzigen Hände / nicht in der Nähe unserer Unterhosen". Aber, ganz ehrlich: War dieser maue Kalauer wirklich alles, was der Pop Trump entgegenzusetzen hatte? Wo ist sein viel beschworenes kritisches Potenzial?
Nun, es ist doch noch nicht ganz verloren. Der sardonische amerikanische Folkrock-Crooner und Entertainer Josh Tillman alias Father John Misty rettet die Sache mit seinem neuen, dritten Album "Pure Comedy" (Bella Union) erst einmal im Alleingang. Allerdings ganz anders, als man es nach den beiden famosen Vorgängern "Fear Fun" und "I Love You, Honeybear" erwartet hatte.
Da war er noch der supersmarte ironische Sack mit Vollbart, in einem etwas zu weit aufgeknöpften Hemd, dazu Anzug und Sonnenbrille, der sich in Songs wie "Well, You Can Do It Without Me" oder "Bored in the USA" souverän-abgewohnt über die kaum erträgliche irre Verkommenheit der Welt im Allgemeinen, sich selbst und Amerika im Besonderen erhob. Und der, wenn es sein musste, seinen Pointen mitten im Song auch mal Konserven-Gelächter zuspielte, wie man es aus schlechten Sitcoms kennt. Die Verkommenheit war allerdings noch die, die schon vor der Wahl Trumps und dem aktuellen Populismus-Irrsinn herrschte.
Eine Sackgasse wäre diese abgezockte Ironie, die im Pop derzeit niemand so unwiderstehlich lässig-nachlässig aufführen kann wie er, aber wohl auch gewesen, wäre Hillary Clinton gewählt worden. Der Ironiker ist ja auch nur ein gelangweilter Moralist, dem es noch viel zu gut geht. Niemand weiß das besser als der Ironiker selbst.