Vergessen Sie das rosa Hemd, die Pornobrille und die Rotzbremse, trug man damals halt so. Es geht hier um den Oscar, den Giorgio Moroder mitgebracht hat. Wir sind auf der Bühne von Auf los geht's los und ARD-Showmaster Joachim Fuchsberger sagt Sachen wie " Das isn Ding, nicht?" Moroder hatte den Goldjungen 1978 mit "The Case" gewonnen, der Filmmusik zu "Midnight Express", die er elektronisch eingespielt hatte. "Mit einem Synthesizer?", fragt Blacky. "Oder wie das heißt."
35 Jahre später widmen die französischen Elektro-Roboter von Daft Punk Moroder das Herzstück ihres Albums "Random Access Memories", ach was, sie schenken es ihm, sie werfen sich vor ihm in den Staub. Neun Minuten und fünf Sekunden lang reisen sie in den Kosmos des Komponisten und lassen ihn - ziemlich ungewöhnlich für ein Pop-Album - erzählen:
"I wanted to do an album with the sounds of the 50s, the sounds o f the 60s, of the 70s and then have a sound of the future. Wait a second: I know the synthesizer. Why don't I use the synthesizer, which is the sound of the future? (...) I knew that could be a sound of the future, but I didn't realize how much the impact would be."
Das alles gipfelt im wunderbaren Satz: "My name is Giovanni Giorgio, but everybody calls me..." Pause. "Giorgio." Irgendwann wird man sich an diese Passage erinnern wie an das Bild von Leonardo DiCaprio, der auf der Reling der animierten Titanic steht und ruft: "I'm the king of the world!"
Daft Punk untermalen ihrer Eloge an den Großmeister des Munich Disco Sound mit Synthesizer-Melodien, die auch aus Moroders Musicland Studios im Arabellapark hätten stammen können. Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter verzichten zwar weitgehend auf Samples. Aber sie arbeiten mit den Mitteln von damals, mit fiesen Stimmverzerrern (Vocodern) etwa - Moroder spricht an einer Stelle auch von einem legendären Zaubergerät namens Moog Modular - und gießen den Klang in eine perfekte High-End-Produktion. Retrofuturismus haben die Kritiker das getauft, und das trifft es ganz gut.
Soweit zur Theorie. In der Praxis erreichen Daft Punk mit Clubmusik die breite Masse. Sie werfen die Nebelmaschinen an und die Lasermaschinen, kleben Glitzer auf ihre Helme und tanzen auf Rollschuhen durch die heimischen Wohnzimmer. Sie lassen Julian Casablancas, ja, den Strokes-Sänger, glänzen ("Instant Crush"), schreiben mal eben den Hit des Jahres ("Get Lucky") und schließen das Album mit einer kunstvollen Soundbreiorgie ab, die zum Abspann jedes x-beliebigen David-Lynch-Films laufen könnte. Das untermalt noch einmal den Anspruch von "Random Access Memories". Egal, was die Kollegen schreiben: Besser war 2013 niemand. (Thierry Backes)
Das Christkind legt dieses Album gerne unter den Baum von Trekkies. Alle anderen haben es eh schon.
Diese Alben waren ebenfalls Anwärter auf den Titel "Platte des Jahres": Moderat - "II"; Woodkid - "The Golden Age"; Arcade Fire - "Reflektor".
Wer dieses Album in zehn Jahren auflegt, denkt: "Geil, was die in den Siebzigern so gemacht haben. (...) Wie, das ist nicht aus den Siebzigern?"
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