Klimaschutz:New York will gläserne Hochhäuser verbieten

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"Monumente, die unserer Erde schaden - das wird in New York City nicht länger erlaubt sein", so de Blasio. (Foto: Yorick Jansens/dpa)

Glitzernde Fassaden gehören seit jeher zum Stadtbild der US-Metropole. Bürgermeister Bill de Blasio will das ändern - der Umwelt zuliebe.

Von Gerhard Matzig

"Das Glas bringt alles Helle, verbau es auf der Stelle." Was sich anhört wie ein Reim, den sich der Bundesverband der Glasindustrie ausgedacht hat, ist in Wahrheit eine Sentenz des Schriftstellers Paul Scheerbart. Wehmütig erinnert man sich an dessen Glas-Hymnen vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Ausgerechnet jetzt, da man dem auch von Scheerbart inspirierten, 1919 gegründeten Bauhaus und somit auch der Idee von hellen, offenen und daher möglichst gläsernen Häusern zum 100. Geburtstag gratuliert, scheint sich die Ära der Glasarchitektur zu verdüstern. Zumindest, wenn es nach New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio geht.

Im emsigen Bemühen um ein umweltverträglicheres Bauen (und um ein smartes Image als Mann ökologischer Stadtvisionen) hat sich de Blasio, der von Ankündigungspolitik möglicherweise noch mehr als von Energieeffizienz und Architektur versteht, ein neues Feindbild ausgedacht: das gläserne Hochhaus. Den Bau solcher Gebäude will der Bürgermeister verbieten. Die Initiative heißt "Green New Deal". De Blasio sagt: "Monumente, die unserer Erde schaden - das wird in New York City nicht länger erlaubt sein."

Um 40 Prozent soll die Emission klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 reduziert werden. Solche Gase werden auch durch Heizungen und Klimaanlagen in Büro- und Wohngebäuden aller Art verursacht. Deshalb könnten nach einem Bericht der New York Times auch auf die Eigentümer bestehender, unzulänglich isolierter Gebäude Geldbußen zukommen. Genannt wird in diesem Zusammenhang auch der Trump Tower, dessen 58 Etagen innen mit einer Menge Marmor eingekleidet - und außen mit einer Menge Glas eher ausgekleidet wurden.

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Erfahrungsgemäß kommt in New York nicht alles so, wie sich das die Politik wünscht. Dass aber der große Apfel, neben Chicago eine der Geburtsstätten des Wolkenkratzers, den zuletzt meist mit spektakulären Glasfassaden um die Wette glitzernden Hochhäusern so ostentativ den Kampf ansagt (Glasfassaden sind de Blasio zufolge "unglaublich ineffizient", weil so viel Energie durch das Glas entweiche): Das ist auch außerhalb Manhattans beunruhigend naiv. Und passt zum Klischeetrend, wonach Glas in der Welt der Immobilien bald das werden könnte, was Diesel im Reich der Mobilität schon jetzt ist: das vermeintlich Böse an sich.

Um diesen Unsinn zu entkräften, der einem der ältesten und natürlichsten Baustoffe der Welt widerfährt, dem Glas, meist aus Sand gewonnen und seit dem Neolithikum bekannt, genügt ein Anruf bei Christoph Ingenhoven. Der ist Architekt aus Düsseldorf und weltbekannt für seine Bauten, die Energieeffizienz und eine zeitgenössische, oft aus Stahl und Glas entwickelte Formsprache ingeniös zu Baukultur verdichten. Ingenhoven sagt: "Glas ist ein extrem vielseitiger Baustoff, der - richtig verwendet! - auch umweltgerecht ist." Denn es gibt mittlerweile Isoliergläser sowie Sonnenschutzgläser. Die Verwendung einfacherer und billigerer Gläser, die bis in die Siebzigerjahre üblich war, ist längst Geschichte. Jedenfalls im Europa der strengen Energieeinsparverordnungen. Intelligent verbautes Glas ist letztlich sogar ein Garant der Energieeffizienz. Scheerbart: "Glück ohne Glas - wie dumm ist das!"

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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