Netzkolumne:"Eklig"

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Bei der Colorado State Fair gewann Jason Allen 300 Dollar für "Théâtre D'opéra Spatial" - obwohl nicht er das Bild gemalt hatte, sondern die KI "Midjourney". (Foto: Screenshot/Discord/Jason Allen)

Ein Amerikaner gewinnt einen Kunstwettbewerb mit einem Bild, das von einer KI errechnet wurde. Ist das Betrug?

Von Michael Moorstedt

300 Dollar. So hoch war das Preisgeld, das Jason Allen bei dem jährlichen Kunstwettbewerb des Colorado State Fair abgeräumt hat. Auf der Leinwand zu sehen: Ein paar lichtbeschienene Figuren vor einer Kulisse, die ebenso Kathedrale oder Raumschiff sein könnte. Zusätzlich bekam er noch eine Preisschleife am langen Band. Es gab da nur ein kleines Problem: Sein Bild hatte er nicht selbst gemalt. Sondern eine KI namens "Midjourney" die Kreativarbeit erledigen lassen.

Bildgeneratoren dieser Art, das einmal schnell zur Erklärung, werden mit ein paar Textstichwörtern gefüttert und spucken dann beinahe in Echtzeit das gewünschte Motiv aus. Sie bedienen sich dabei einer Unzahl von gesammelten Bildern aus dem Internet als kombiniertem Quellmaterial.

Die Reaktionen kamen schnell und hart: "Ziemlich scheiße", als "Anti-Kunst" oder mindestens "eklig" fanden zahlreiche Kommentatoren auf den sozialen Medien diese Form des Hyper-Plagiats. Ein weiterer schrieb etwas dramatisch, man sehe dabei zu "wie sich der Tod der Kunst vor unseren Augen entfaltet".

"Ich werde mich nicht entschuldigen", sagt der Gewinner Jason Allen

Dabei würde sich die ganze Aktion ja prima als subversiver Kommentar auf den gegenwärtigen Kunstbetrieb eignen. Als Guerilla-Attacke auf eine Welt, die der Faszination der Oberfläche und des Hypes eventuell etwas zu sehr erlegen ist, bei gleichzeitiger Behauptung des Gegenteils. Tatsächlich scheint es Jason Allen aber nicht primär um eine kunstpolitische Agenda gegangen zu sein. "Ich werde mich nicht entschuldigen", sagte er der New York Times. Und weiter: "Ich habe gewonnen und keine Regeln gebrochen." Weder wollte er die Überlegenheit der Software gegenüber menschlicher Schaffenskraft demonstrieren noch die Unkenntnis der Juroren demaskieren. Veranstalter des Wettbewerbs war übrigens das Agrarministerium des US-Bundesstaats.

Mit der Prognose, dass KI-Bildgeneratoren die Kreativwelt noch eine Weile beschäftigen werden, lehnt man sich nicht allzu weit aus dem Fenster. Das "kitschige Fantasy-Bildchen", wie es der Medienwissenschaftler Roland Meyer auf Twitter uncharmant nannte, das den Wettbewerb gewonnen hatte, ist dabei weniger Ursache als nur ein weiterer Beweis für die Dringlichkeit der Debatte.

Das Bild mit dem Titel "Théâtre D'opéra Spatial" trägt klare Einflüsse spätromantischer Malerei. Doch wie gelangt dieser Stil aus dem Möglichkeitsraum der Motive auf die Leinwand in Colorado? Zwei Programmierer haben es nun geschafft, einen kleinen Einblick in das Ausgangsmaterial zu erlangen. Er glaube, die Kontroverse um die Bildgeneratoren entspringe vor allem daraus, "dass diese Werkzeuge undurchsichtig sind", so Andy Baio, einer der Macher. "Es gibt ein Informationsvakuum darüber, wie sie funktionieren, und die Menschen füllen dieses Vakuum mit ihren Gefühlen."

Die KI generiert Bilder, weil sie zuvor mit anderen Bildern gefüttert wurde. Was ist mit deren Urheber?

Zwölf Millionen Bilder sind nun auffindbar, eine unvorstellbare Menge und doch nur ein Bruchteil der mehr als zwei Milliarden Motive, die ursprünglich in ein KI-Modell namens Stable Diffusion eingespeist wurden. Filtert man die Bilder nach ihrem Schöpfer, sind von den 25 am häufigsten vorkommenden Namen nur drei Maler noch am Leben. Ansonsten gibt es eine Menge van Gogh, Monet, Hopper oder Rockwell zu sehen.

Trotzdem haben zeitgenössische bildende Künstler auf Twitter ein neues Hobby gefunden. Anstatt sich selbst nur zu googeln, recherchieren sie, ob die eigenen Werke in der Datenbank auftauchen. Und immer wieder landen sie dabei auch Treffer. Wohl fühlt man sich dabei nicht. Immerhin bedeutet das, dass ihr eigenes Werk ohne ihre Zustimmung dafür benutzt wurde, sie über kurz oder lang überflüssig zu machen. Weil die Bilder von automatisierten Crawlern aus dem Internet kopiert werden, gibt es jedenfalls so gut wie keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, dass das eigene Werk seinen Weg in die Datenbanken findet.

Und nun? Zeit für Tantiemen? Viele Künstler sind ganz ernsthaft dieser Meinung. Wie so ein Modell aussehen könnte, wenn jeden Tag Hunderttausende Bilder von den KIs generiert werden und eins von Milliarden Bildern das winzigste Stückchen Ausgangsmaterial darstellen könnte? Das weiß natürlich niemand.

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