Maureen O'Hara gestorben:Rot ist die schönste Farbe der Welt

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Maureen O'Hara, die sich nicht nur auf der Leinwand zu wehren wusste. (Foto: Keystone)

Niemand konnte in Technicolor so herrlich leuchten: Maureen O'Hara ist tot, die erste starke Frau in Hollywood.

Von Willi Winkler

Irland, aber das weiß eigentlich jeder, ist eine amerikanische Erfindung. Margaret Mitchell rekonstruierte es 1936 in den Südstaaten, in der Nähe von Atlanta, nannte es Tara und ihre Heldin Scarlett O'Hara. Sie sei nicht eigentlich schön zu nennen, putzt sie die Frau herunter, die mit ihrer ungeheuren Willenskraft drei Männer und den Bürgerkrieg übersteht. Aber Scarlett kann nicht anders, sie verdreht jedem den Kopf.

Die andere Irin, und noch unvergleichlich viel schöner und widerborstiger, hieß Maureen FitzSimons, war 1920 in einem der besseren Vororte Dublins zur Welt gekommen und erhielt von ihrem Entdecker Charles Laughton den kürzeren Namen O'Hara.

Im "Glöckner von Notre Dame" (1939) spielte sie seine Esmeralda, in Hitchcocks "Riff-Piraten" (ebenfalls 1939) ist sie eine irische Waise, aber berühmt wurde sie erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika.

Das Technicolor war eben erfunden worden, eine Farbe, die es im wirklichen Leben nicht gab und schon gar nicht auf den glanzlosen Fernsehern, die sich breitmachten und die Zuschauer umerzogen zu einem neuen Puritanismus, in dem die Männer karierte Hemden trugen, aber zu Hause das Essen pünktlich auf dem Tisch stand, zubereitet von einer zurückgeschnittenen Hausfrauenfrisur und begleitet von eingespielten Lachern.

Maureen O'Hara war das pralle Leben dagegen, vor allem hatte sie nichts von dieser seriellen Frohsinnsmaschinerie. Technicolor zeigte sie in den Grundfarben Rot (die Haare), Grün (die Augen) und Weiß (die Zähne), dazu die allzeit zum Beben bereite gestärkte Brust, die Hände in die Hüften gestützt, aber schlagfertig genug, um John Wayne eine zu knallen, weil er sie rücksichtslos geküsst hatte.

Surreal, also reines Kino

Natürlich rächte sie sich anschließend mit einem Gegenkuss. So esmeraldierte sie sich durch die Vierziger- und Fünfzigerjahre, von Bagdad in die Karibik, zu den Musketieren nach Paris und wieder zu den Piraten in die Südsee.

Sie kämpfte zu Pferd und zu Schiff, mit der Peitsche und dem Degen, mit ihrem losen Mundwerk und diesen unvergleichlich grünen Augen, ein Film bunter und bombastischer und kostümierter als der andere, aber im Mittelpunkt war stets sie, der größte Dickkopf der Welt und rot dazu.

Der Ire John Ford war ihr wichtigster Regisseur, leider ein Sadist. Er quälte sie kaum weniger als seinen anderen Liebling John Wayne, aber er schickte ihr auch Liebesbriefe und hatte es ernsthaft auf sie abgesehen. Sie, die stolze Irin, ließ ihn abblitzen. Zusammen drehten sie "Schlagende Wetter" (1941), "Rio Grande" (1950) und "The Quiet Man" (1952), die im deutschen Verleih die genderkontrastiven Titel "Der Sieger" und "Die Katze mit den roten Haaren" trugen.

Der Preisboxer John Wayne kehrt zurück nach Irland und verliebt sich auf den ersten Blick in diese Frau, die, eingerahmt von ihren Schafen, in Blau und Weiß und Rot, über die grüne Weide zieht, eine Farbenlehre wie inspiriert von Albrecht Dürers Blauracke, surreal, also reines Kino.

Maureen O'Hara war bis zuletzt irisch-rot und leuchtete damit auch aus jedem ihrer frühen Schwarz-Weiß-Filme: als alleinerziehende Mutter im kitschfetten "Wunder von Manhattan" (1947), erst recht als Angharad Morgan, die sich in dem Bergarbeiter-Epos "Schlagende Wetter" hoffnungslos in einen Priester verliebt.

Den Blick, den sie in der Kirche einen Moment zu lang auf den neuen Pfarrer richtet und von ihm dabei ertappt wird, verwandelt sie sogleich in einen Sieg, weil sie merkt, dass er auch auf sie reagiert. Trotzdem muss sie einen Millionärssohn heiraten. Wem da nicht das Herz blutet, der hat keins und vom Kino nichts begriffen.

Alle anderen hätten diesen wilden rothaarigen Engel retten wollen, hätten sie aus der Kutsche gerissen, auf die sie mit wehendem Brautschleier steigt, und wären auf der Stelle mit ihr durchgebrannt.

Als sie Ende der grauenhaften Fünfziger ein Klatschblatt hinten im Kino beim heavy petting beobachtet hatte, verklagte sie das Magazin, das bald darauf einging. Sie wurde Geschäftsfrau. Der Preis dafür war, dass sie aus dem Kino verschwand, das sich mittlerweile ohnehin von der Röte des Rots von Technicolor verabschiedet hatte.

Sie war die erste Chefin einer amerikanischen Fluggesellschaft

Ihr dritter Mann war Pilot und betrieb eine Fluglinie in der Karibik. 1978 stürzte er mit seiner Maschine ab, sie übernahm die Firma - die erste Chefin einer amerikanischen Fluggesellschaft. Zusammen mit Greta Garbo und Asta Nielsen gehörte Maureen O'Hara zu den wenigen Frauen in Hollywood, die mit ihren weltlichen Unternehmungen mehr Geld verdienten als im Studio.

1991 erschien sie noch einmal auf der Leinwand, spielte in "Only the Lonely" die helikopternde Mutter des armen dicken, längst erwachsenen John Candy und erinnerte daran, was es in grauer Vorzeit einmal gab: hyperreale Frauen und Männer in unwahrscheinlichen Geschichten, die, weil das Märchen, die Lüge und das Kino das einzig Wahre ist, auch noch gut ausgehen.

John Wayne sagte einmal, er habe sich am wohlsten in Gesellschaft von Männern gefühlt. Für Maureen O'Hara machte er eine Ausnahme. "Sie war ein Kerl." Aber hier täuschte sich der Duke ausnahmsweise doch: Sie war kein Kerl, sondern eine Frau und noch besser: eine rothaarige Frau. Am Samstagmorgen ist Maureen O'Hara in Boise im US-Bundesstaat Idaho im Alter von 95 Jahren im Schlaf gestorben. Die Welt hat ihre schönste Farbe verloren.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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