Salzburger Festspiele:Mitten im Leben

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Das Collegium Vocale Gent, die Camerata Salzburg und Philippe Herreweghe in St. Peter. (Foto: Marco Borrelli/Salzburger Festspiele)

Philippe Herreweghe und die Camerata Salzburg brillieren mit Mozarts großer c-Moll-Messe in der Stiftskirche St. Peter.

Von Helmut Mauró

Es ist keine wirkliche Überwältigungsmusik, und doch fühlt man sich immer wieder emotional überrumpelt. Denn Mozarts c-Moll-Messe, so sehr sie sich auch kompositorisch an barocken Vorbildern und italienischer Oper orientieren mag, hat einen ganz eigenen Stil der Vermittlung, des Hinübertretens. Es sind vor allem zwei Parameter, die dafür stehen: der kunstvoll ausgeschmückte Sologesang und die sich fugenartig türmenden Chormonumente. Beides verlangt große Präzision und Abstimmung untereinander, zumal mit dem begleitenden Instrumentalensemble, und für diese Art feinsinniger Ausgewogenheit steht der Alte-Musik-Spezialist Philippe Herreweghe wie kaum ein anderer Dirigent. Was auch angenehm auffällt: Er kann mit Forti und Fortissimi haushalten. Der Chor - das Collegium Vocale Gent - steht nicht durchweg auf dem Gaspedal, nimmt sich zugunsten von Klangbild und Klarheit gerne zurück. Was wenig hilft, wenn das Orchester der Camerata Salzburg voll aufspielt. Das muss Herreweghe hin und wieder zurückdrängen, und dann hört man auf einmal den herrlichen Chor in seiner ganzen Pracht und subtilen klanglichen Vielfalt, präzise auch im piano und doch lebendig erzählend, kraftvoll und doch nie herausbrüllend. Das fiel schon zu Beginn auf in Felix Mendelssohn Bartholdys c-Moll-Choral "Mitten wir im Leben sind" und setzte sich fort in der Eröffnung des halbstündigen Gloria, das wie eine große Chorsymphonie einsetzt. Doch in den folgenden Strophen schlägt dann auch die Stunde der Solisten, der ausgezeichneten Koloratursopranistin Morgane Heyse, der stimmkräftigen Mezzosopranistin Eva Zaicik und des lyrischen Tenors David Fischer. Auch hierbei überzeugt, wie genau Soli und Chor nicht nur in Dynamik, sondern auch im musikalischen Gestus abgestimmt sind.

Der Musikforscher Robins Landon vervollständigte Mozarts Werk

Mozarts damaliger Dienstherr, Erzbischof Colloredo, hatte verfügt, dass die Messkompositionen keinesfalls mehr so lang sein sollten, wie Mozart dies in seiner c-Moll-Messe praktizierte. Rang Mozart damit und hemmte sich selber, das Riesenwerk zu vollenden? Denn nach dem Benedictus bricht es ab, und man weiß nicht, was damals in St.Peter danach gesungen wurde. Teile aus anderen Messen Mozarts? Der Musikforscher Robins Landon, dessen Vervollständigung der Messe nun erklang, glaubt aus rein musikalischen Gründen nicht daran. Mozarts frühere sakrale Werke seien in "emotioneller Freiheit und musikalischer Reife" mit dem gegenwärtigen nicht zu vergleichen.

Vielleicht ist es aber auch die Riesenhaftigkeit dieser Missa solemnis, die gänzlich andere Erwartungen provoziert. Denn es gibt sehr emotionale frühe Sakralmusik von Mozart, oft allerdings nur Einzelsätze. Man kann sie in eine Reihe mit Bachs h-Moll-Messe und Beethovens "Missa solemnis" stellen - allesamt gigantische Werke, die den Rahmen selbst eines Hochamts sprengen. Mozarts c-Moll-Messe allerdings erscheint da in ihren Ausmaßen praktikabler, selbst wenn sie konsequent zu Ende komponiert worden wäre. Sie wurde, in welcher Form auch immer, in der Kirche aufgeführt, und zwar im Hochamt des 26. Oktober 1783 in St.Peter. Das Kirchenkonzert ist vornehme Tradition der Salzburger Festspiele, Philippe Herreweghe sah das offenbar genauso.

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