Missbrauchsvorwürfe:Der Druck auf R. Kelly wächst

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  • Die "Time's-Up"-Bewegung hat Unternehmen dazu aufgefordert, sich von R. Kelly zu distanzieren.
  • Der Musiker sieht sich seit zwei Jahrzehnten immer wieder mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert, konnte bisher aber nicht juristisch belangt werden.

Seit Monaten hält die Kritik gegen R. Kelly an, doch Anfang dieser Woche erreichte sie ihren Höhepunkt: Die "Time's-Up"-Bewegung, gegründet von Hollywood-Stars mit dem Ziel, sexuellen Missbrauch zu bekämpfen, rief in einem offenen Brief dazu auf, R. Kelly zu boykottieren. Die Initiative fordert in dem Schreiben Unternehmen dazu auf, ihre Kooperationen mit dem Musiker zu beenden - darunter etwa das Plattenlabel "RCA Records", der Konzertkartenunternehmer "Ticketmaster" sowie die Streaming-Dienste Spotify und Apple Music. Der Aufruf wurde von weiteren Prominenten unterstützt, etwa vom Sänger John Legend und der Aktivistin Tarana Burke, die den Hashtag #Metoo erfand.

Zwei Jahrzehnte schon kursieren Missbrauchsvorwürfe gegen R. Kelly. Sex mit Minderjährigen, Gewalt gegen Frauen und Kinderpornografie sind nur einige davon. Verurteilt wurde der amerikanische Sänger bisher für keine dieser Anschuldigungen und seinem kommerziellen Erfolg haben sie ebenso wenig geschadet. Das könnte sich nun allerdings ändern.

Schwere Missbrauchsvorwürfe
:R. Kelly soll Minderjährige wie "Haustiere" behandelt haben

Eine Ex-Freundin des R'n'B-Sängers erhärtet die schon bestehenden Missbrauchsvorwürfe. Auch über eine angebliche Hochzeit mit der inzwischen verstorbenen Sängerin Aaliyah wird berichtet.

Von Xaver Bitz

"Time's Up" stellt sich mit seinem Aufruf hinter die Initiative #MuteRKelly, die seit vergangenem Sommer versucht, R. Kelly "stumm zu stellen". Auslöser der Initiative waren Recherchen des Musikjournalisten Jim DeRogatis, der in einigen Artikeln auf dem Internetportal Buzzfeed schwere Vorwürfe erhoben hatte. Danach soll R. Kelly in seinen Häusern in Atlanta und Chicago eine Art "Kult" betreiben, bei dem er Frauen festhält und "jeden Aspekt ihres Lebens kontrolliert". DeRogatis schreibt: "Er diktiert, was sie essen, wie sie sich anziehen, wann sie baden, wann sie schlafen und wie sie Sex haben, während er sie dabei filmt." Außerdem veröffentlichte der Journalist das Porträt einer jungen Frau, die behauptet, als Minderjährige eine Beziehung mit dem Sänger gehabt und von ihm Schweigegeld bekommen zu haben.

"Gierige, bewusste und heimtückische Verschwörung"

R. Kelly bestreitet alle Vorwürfe. Am Montag ließ er eine Erklärung veröffentlichen, in der es heißt: "R. Kelly unterstützt die Pro-Frauen-Ziele der Time's-Up-Bewegung. Wir verstehen, dass man sehr viel Aufmerksamkeit für diese Ziele bekommt, indem man einen berühmten Künstler kritisiert - aber in diesem Fall ist das ungerecht und daneben." Bei der Kampagne handele es sich um eine "gierige, bewusste und heimtückische Verschwörung" mit dem Ziel, ihn "zu erniedrigen".

Zu Recht kann R. Kelly sich darauf berufen, dass keine der Anschuldigungen gegen ihn bisher juristische Konsequenzen nach sich gezogen hat. In einem Prozess wegen Kinderpornografie wurde er 2008 freigesprochen. Die R. Kelly-Boykott-Bewegung steht somit vor einem Dilemma, das allzu oft auftaucht, sobald es um sexuelle Missbrauchsvorwürfe geht: Es gibt Gerüchte, es gibt außergerichtliche Einigungen zwischen dem Beschuldigten und einigen Frauen und es gibt Zeugenaussagen. Handfeste Beweise scheint es bislang nicht zu geben.

Die Time's Up-Bewegung scheint sich dieses Problems durchaus bewusst zu sein. In ihrem offenen Brief fordert die Initative, die Vorwürfe gegen R. Kelly zu überprüfen. Es heißt darin: "Die Narben der Geschichte sorgen dafür, dass wir nicht interessiert daran sind, jemanden ohne guten Grund zu verfolgen. Trotzdem verlangen angemessene Ermittlungen und Untersuchungen zu den Missbrauchsvorwürfen gegen R. Kelly."

Der Zeitpunkt für diese Forderung fällt in eine Zeit, in der sich die gesellschaftliche Stimmung gegenüber sexueller Gewalt gegen Frauen geändert hat. Die Missbrauchsvorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein hatten im vergangenen Herbst eine weltweite Debatte um sexuelle Übergriffe angestoßen. Die Öffentlichkeit ist nun mehr als früher gewillt, mutmaßlichen Opfern sexuellen Missbrauchs zuzuhören.

Erst vergangene Woche wurde der Schauspieler Bill Cosby dafür verurteilt, im Jahr 2004 eine Frau betäubt und danach sexuell missbraucht zu haben. Auch bei Cosby gab es jahrzehntelang Gerüchte, es gab zahlreiche Frauen, die erklärten, von ihm missbraucht worden zu sein. Doch kaum einer glaubte ihnen. Der Fall, für den Cosby nun verurteilt wurde, i st der einzige von etwa 60 Fällen, der noch nicht verjährt war.

Die #MuteRKelly-Initiative kann derweil Erfolge mit ihren Boykott-Aufrufen verbuchen: Zehn Konzerte des Musikers wurden bisher abgesagt, drei Mitarbeiterinnen, darunter eine Pressesprecherin und eine Anwältin, beendeten ihre Zusammenarbeit.

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