Du wirst ein Star, Kid", sagt der alte Mann, der eben im Helikopter in einem Garten gelandet und über den Hollywood Boulevard in die Lobby des Beverly Hills Hotel gestiefelt war, John Wayne, in seiner Cowboykluft. Er muss es wissen, er hat den Film "Alfie", 1966, gesehen, der den jungen Michael Caine international bekannt machte und ihn zum ersten Mal in seinem Leben nach Hollywood brachte, auf Einladung von Shirley MacLaine, Alfie, der lässige Cockney-Lümmel, der mit diversen Frauen - Shelley Winters, Julia Foster, Jane Asher, Shirley Ann Field, Vivien Merchant - sich einlässt, manche schwängert, in ein Sanatorium muss ... Der deutsche Titel war "Der Verführer lässt schön grüßen".
"Nenn mich Duke", sagt John Wayne und legt einen Arm um Caines Schulter, und einen großartigen Rat hat er auch noch für den jungen Akteur: "Sprich leise und langsam, damit du die Pferde nicht scheu machst, und sag so wenig wie möglich, bevor das Pferd durchgeht." Nicht der vordringlichste Ratschlag vermutlich, für einen Schauspieler, der sich eher in Großstadtrollen präsentiert. Später wird Caine den Ratschlag des Duke noch mal aufgreifen, dann spielt auch eine Begegnung beim Pinkeln eine verdrehte Rolle.
Tagebücher von Jane Birkin:"Heute ist ein schlechter, sehr schlechter Tag"
Jane Birkins "Munkey Diaries" sind vor allem aus soziologischer Sicht interessant - und erzählen nebenbei noch von Selbstvorwürfen und Bordellbesuchen mit Serge Gainsbourg.
Amerikanisches vs. englisches Urgestein. Der Duke John Wayne und Michael Caine, aus dem Arbeiterviertel Elephant and Castle, die Mutter Putzfrau, der Vater Träger auf dem Fischmarkt, ungebildet, aber handwerklich richtig geschickt. Michael, im Weltkrieg zu Familien aufs Land geschickt, wo er ziemlich gelitten hat, danach Militärdienst, in Nachkriegsdeutschland und in Korea, danach die ersten kleinen Rollen in Theater und Film, und dann gab es irgendwann die Vorstellung, erst noch unwahrscheinlich, er würde gern ein Star werden.
Das Ratgeben betreibt auch Michael Caine gern in seinen Erinnerungen, "Die verdammten Türen sprengen", die er mit der Duke-Begegnung beginnen lässt und die mit jeder Menge "Lebenslektionen" für uns Leser gespickt sind. Caine, inzwischen 86 Jahre alt, ist immer noch aktiv und auch im neuesten Film eines seiner Lieblingsregisseure wieder dabei - Christopher Nolan hat ihn zu Batmans Butler gemacht. Der Film soll in einigen Monaten in die Kinos kommen.
Die Bürgerlichkeit der neuen Existenz als Serien Agent ist hart erkauft
Die Herkunft legte Caine erst mal auf Cockney-Typen fest, überraschend wurde er dann doch in eine andere Klasse verschoben, beim blutigen Kolonialepos "Zulu", das von der verbissenen Attacke der Zulus auf die Missionsstation Rorke's Drift in Natal erzählt. Sein Schauspielerkumpel Stanley Baker hatte ihn zwar mal wieder für eine Cockney-Rolle vorgeschlagen, aber die war bereits an einen anderen vergeben, aber der Regisseur, Cy Endfield, fand, Caine könnte auch gut einen Offizier abgeben, und besetzte ihn als den Lieutenant Gonville Bromhead, eine historische Figur.
Nach "Zulu" bat ihn dann Harry Saltzman, der Bond-Produzent, auf eine Tasse Kaffee und machte ihn zum Kino-Serien-Agenten Harry Palmer in "Ipcress - streng geheim". Das war zwar noch nicht das Bond-Welt-Niveau, wie es der Brite Sean Connery repräsentierte, aber es machte auch Michael Caine zum Star. Die Bürgerlichkeit dieser neuen Existenz ist freilich hart erkauft. Wie bei Sean Connerys (und dann später wieder bei Daniel Craigs) James Bond blieb auch bei Michael Caines Agenten ein prolliger Bodensatz. Die lässige und weltläufige Erzählweise reibt sich immer an der bitteren Erfahrung, dass Großbritannien eine starre und starrköpfige Klassengesellschaft ist.
An London, mit all seinen Überraschungen und Wendungen, hat Michael Caine die schönsten, die intensivsten Erinnerungen. Die Swinging Sixties dort erklärt er in zehn Zeilen: "Junge Leute, deren Kindheit Wirtschaftskrise, Bombardierung, Militärdienst und Rationierung gewesen war, hörten jetzt Chruschtschow zu, Staatschef der Sowjetunion, der ihnen sagte, er verfüge über die Atombombe, und wir könnten alle innerhalb von vier Minuten tot sein, und sie beschlossen, die verbleibende Zeit zu genießen. Die Arbeiterklasse erhob sich und sagte: 'Wir sind hier, das ist unsere Gesellschaft, und wir gehen nicht wieder weg.' So und deshalb wurden die Sechziger geboren. Alle, die ich kannte, schienen plötzlich berühmt zu werden." Man konnte den Beatles begegnen oder den Rolling Stones, David Bailey flirtete mit Jean Shrimpton, Roman Polanski mit Sharon Tate. Caines Wohnungsgenosse war Terence Stamp, sein Friseur Vidal Sassoon, er war am Westend die Zweitbesetzung für einen damals noch nicht bekannten Schauspieler namens Peter O'Toole, zwei andere Schauspielerkollegen versuchten sich als Dramenschreiber, John Osborne und Harold Pinter.
Auch Katastrophen-Filme gibt es in dieser langen Karriere natürlich
In den nicht mehr so swingenden Siebzigern erhält Caines Karriere dann einen kräftigen Schub, aber in dem Moment, da er zum Weltstar wird, erweist er sich als veritabler Familienmensch. Seiner Frau Shakira dankt er für viele Jahre vollkommenes Eheglück, und dafür, dass sie ihn vom Alkohol weggebracht hat. Tony Curtis, Yul Brynner und dem Snookerspieler Alex "Hurricane" Higgins dankt er, dass sie ihm das Rauchen ausgeredet haben.
Probleme, die ihm langes Kopfzerbrechen machen, lösen sich plötzlich mit einem einzigen Satz, etwa wie er, beim Dreh des Films "Sleuth" von Joseph L. Mankiewicz, den großen Laurence Olivier anreden soll, der das Anrecht hatte, mit Lord Olivier angesprochen zu werden - der sprach ein für allemal: "Sobald wir uns die Hand gegeben haben, bin ich auf ewig nur noch Larry." Auch Katastrophen-Filme gibt es in dieser langen Karriere natürlich, zum Beispiel die "Weiße Hai"-Fortetzung "Jaws: The Revenge". Eine Katastrophe, ein Reinfall! Wegen der Dreharbeiten konnte Caine nicht zur Oscar-Zeremonie und seinen Award für "Hannah and Her Sisters" abholen, aber für die Gage des Films konnte er seiner Mutter ein Haus bauen: "Ich habe den Film nie gesehen, dafür aber das Haus, das er finanziert hat, und es ist wunderbar."
Das Gefälle, wenn er von professionellen Erfahrungen im Filmbusiness und methodischen Tipps fürs Schauspielen zu allgemeinen Lebenslektionen, für den Leser, wechselt, macht den ruhigen Charme des Buches aus. Das Prinzip, das er sich fürs Spielen vorgenommen hatte, überträgt er lässig auf uns alle: "Sei authentisch." Dazu gehört natürlich unbedingt ein Moment Ironie. Der Freund und Kollege Peter Sellers hatte einen der ersten Anrufbeantworter überhaupt, und als Caine bei ihm anrief, erhielt er, in perfekter Imitation seiner selbst, die Ansage: "Hier spricht Michael Caine. Peter Sellers ist nicht da. Nicht viele Leute wissen das."
Michael Caine: Die verdammten Türen sprengen und andere Lebenslektionen. Aus dem Englischen von Gisbert Haefs und Julian Haefs. Alexander Verlag, Berlin 2019. 310 Seiten, 24 Euro.