Mathias Richling:"Eine Frau kann man ja nicht fertigmachen"

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Kabarettist Mathias Richling spekuliert über Steinmeiers Schwärze, das Lottospiel Demoskopie und darüber, wer Merkel stürzen könnte.

Oliver Hochkeppel

Es ist mal wieder ziemlich schwer, an Mathias Richling ranzukommen: Proben und Aufnahmen für seine Fernsehserien "Richling - Zwerch trifft Fell" und den Scheibenwischer-Nachfolger "Satiregipfel", die Aktualisierung seines 28. (!) Soloprogramms "E=m * Richling²" - der inzwischen zum medialen Aushängeschild des deutschen Kabaretts erwachsene Schwabe steht nicht nur auf der Bühne mächtig unter Dampf. Am Samstag, einen Tag vor der Wahl, tritt er um 20 Uhr im Münchner Circus Krone auf.

"Einfluss auf das Wahlverhalten ist völlig ausgeschlossen": Kabarettist Mathias Richling über Kabarett und Wahlkampf. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Sie haben kaum mehr Zeit zum Fernsehen. Das Kandidatenduell war aber bestimmt Pflicht?

Mathias Richling: Selbstverständlich. Ich wusste nur manchmal nicht, wer was ist. Schon optisch. Steinmeier trug natürlich staatstragend schwarz. Gut, er hatte eine rote Krawatte, aber das kann man ihm nachsehen, er ist ja SPD. Aber auch Frau Merkel hatte ein schwarzes Kostüm mit einer großen, roten Korallenkette. Ein eindeutiger Hinweis. Am schönsten fand ich die Stelle, wo die Illner ganz verzweifelt einwarf: "Nicht immer Doppelpass spielen, wir wollen doch, dass sie gegeneinander antreten."

SZ: Steinmeier wird auffälligerweise selten parodiert, außer von Ihnen. Ist er zu farblos?

Richling: Er ist, nicht zusammenzucken jetzt, ähnlich farblos wie Schröder am Beginn seiner Regierungszeit. Heute hat man das vergessen, aber es ging mir, obwohl ich ja geschult bin, damals so, dass ich bei seinen Tönen aus dem Off dachte: "Wer ist denn das? Ahhh, der Schröder." Einen erkennbaren eigenen Akzent hat er bislang so gut wie nicht. Nur die Mundwinkel nähern sich allmählich im Herabhängen den Merkelschen an. Das hängt zusammen mit seiner Adaption von anderen, die ihn begleiten. Wenn er laut reden muss - was er überhaupt nicht kann -, dann ist es eindeutig Schröder-Lautreden. Auch seine ständig wiederkehrenden Füllsel, also "Dafür stehe ich", "Das ist mein Konzept" sind ja so was Zusammengeklaubtes. Er ist nicht sehr echt in diesem Wahlkampf. Wenn er aus irgendwelchen Gründen Kanzler geworden wäre oder würde, könnte er die Leute wahrscheinlich durch Arbeit überzeugen. Aber Kandidat kann er nicht.

SZ: Aber die Konkurrenz ist auch nicht gerade stark.

Richling: Ja, aber es ist natürlich fies, wenn Frau Merkel daneben steht und sagt: "Die Zusammenarbeit fand ich prima." Was soll man da noch machen? Kommt die Höflichkeit noch dazu, eine Frau kann man ja nicht fertigmachen. Das ist raffiniert.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, ob Kabarett Einfluss auf die Politik nehmen kann.

SZ: Länger als das Duell selbst dauert ja die Nachbereitung. Was macht das Fernsehen da mit uns?

Richling: Auch nichts anderes als bei den Kochshows. Wir wissen alle, dass deren Zuschauer es hinterher nicht nachkochen. Die meisten Leute, und damit die Wähler, gucken Fernsehen, nachdem sie - hoffentlich - den ganzen Tag gearbeitet haben. Sie sind müde, die meisten liegen vor dem Gerät, und es entsteht ein Zwischenstadium zwischen Schlafen und Wachen, in dem das alles nur noch vorbeisaust. So ist es auch bei diesem Gedöns. Vorher wurde geschrieben, halb Deutschland will das angucken. Natürlich, wenn vier Sender es bringen, kannst du ja gar nicht ausweichen. Und trotzdem waren es nur 14 Millionen. Auch da schlägt der Wähler schon zurück. Wie bei den Wahlen selbst.

SZ: Dafür wissen doch die Demoskopen schon immer vorher, wie es ausgeht.

Richling: Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Bei der letzten Wahl lagen die um 14 Prozent daneben. Und haben eine völlig andere Regierung vorausgesagt. Was soll ich davon halten. Das ist ja wie Lottospielen. Ich habe im nächsten Satiregipfel eine Demoskopie-Nummer.

SZ: A propos - Ihre ersten "Satiregipfel" wurden von der Kritik ziemlich zerpflückt. Bekanntlich gab es vorher großen Ärger. Warum tun Sie sich das an, wo Sie doch mit eigenen Formaten erfolgreich sind?

Richling: Eine berechtigte Frage. Während der vielen Scheibenwischer-Jahre galt für mich immer die Prämisse, dass das Format an den Urheber ( gemeint ist Dieter Hildebrandt, d. Red.) gebunden ist. Als er aufhörte, war es aber sein Wunsch, dass wir weitermachen. Dem wollte ich mich nicht entziehen, ich war ja auch nur einer von dreien. Dann hörte im Lauf von sechs Jahren aus unterschiedlichen Gründen einer nach dem anderen auf. Am einfachsten wäre gewesen, wenn ich mit dem Bruno Jonas gegangen wäre. Aber dann stehen sie da, und alle sagen, wir möchten, dass du weitermachst. Also musste ich es mindestens versuchen. Ironie des Schicksals, dass dann derjenige, für den man es eigentlich macht, kommt und den Titel wegnimmt. Aber dann kann man erst recht nicht von der Fahne flüchten.

SZ: Vor allem wurde Ihnen vorgeworfen, dass Sie Comedians einbinden.

Richling: Ja, ich habe den Kollegenkreis etwas erweitert. Aber hier kommen Comedians in einen politischen Kreis. Warum sollen Comedians keine politische Meinung haben können. Jetzt haben sie ein Forum, wo sie das auch mal machen können. Diese ganze Debatte ist vorsintflutlich. Da spielt Überheblichkeit mit. Loriot hat nie Politik gemacht und ist einer der besten. Ich sehe jetzt, dass diese Leute aus anderen Bereichen als dem klassischen politischen Kabarett mit einer unglaublichen Begeisterung, Präzision und vor allem Uneitelkeit mitarbeiten. Schon dafür hat es sich gelohnt.

SZ: Sie schreiben gerne nachts, hört man.

Richling: Ich kenne das nicht anders. Wenn ich vor drei Uhr ins Bett gehe, muss ich sehr krank sein.

SZ: Sie haben am Anfang Ihrer Karriere als Parodist angefangen, sind dann aber andere Wege gegangen, mit Märchen-Persiflagen, aktuellen "Nachschlägen" und Literarischem. Jetzt sind die Parodien wieder das Flaggschiff. Ist das auch dem Publikumswunsch geschuldet?

Richling: Nein. Als ich anfing, hatte ich große Sorge, auf etwas festgelegt und abgenutzt zu werden. Deshalb habe ich schon im zweiten Programm mit den Parodien gebrochen und anderes gemacht. Später habe ich dann eine Synthese hergestellt. Heute begreife ich die Parodien eigentlich mehr als Karikaturen. Das heißt, ich gehe über die reine Kopie hinaus und schreibe den Dargestellten Charakteristika zu, die sie gar nicht haben. Beispiel: Ulla Schmidt zieht nicht die Nase hoch. Aber ich signalisiere damit schon ihre nasale Stimme. Ich überzeichne und gebe den Karikierten Sachen an die Hand, die sie haben könnten.

SZ: Der maskenbildnerische Aufwand ist oft enorm. Ist das schwäbischer Perfektionismus?

Richling: Absolut. Wenn man die Möglichkeit hat, hilft es den Leuten, reinzufinden. Auf der Bühne muss es aber auch ohne gehen.

SZ: Geht es beispielsweise bei Ihrem Auftritt im Circus Krone nur um Unterhaltung oder erhoffen Sie sich einen Einfluss auf das Wahlverhalten des einen oder anderen?

Richling: Das ist ausgeschlossen. Völlig illusorisch. Ich bin der Ansicht, dass nicht einmal das Wahlduell die Wahl beeinflusst. Die Leute haben doch alle eine Meinung. Die kommen rein und sagen "Ja, genau" oder "Der spinnt wohl". Und das ändert sich in den zwei Stunden nicht.

SZ: Ist das Kabarett generell politisch wirkungslos?

Richling: Zunächst ist es eine Unterhaltungsform. Nur auf lange Sicht stellt es Formulierungen zur Verfügung für Leute, die, sagen wir mal, diffus rumdenken. Das umfasst außer der Politik auch andere Lebensbereiche. Da kann eventuell was passieren, im Promillebereich. Wie oft hat denn eine Musik oder ein Buch Ihr Leben wirklich verändert? Oder Ihr Wahlkreuz beeinflusst? Die Wahl entscheidet, wenn jetzt rauskommt, dass Frau Merkel zum Beispiel eine Putzfrau illegal beschäftigt hat. Klare Informationen im letzten Moment.

SZ: Wie hat sich in Ihrer langen Kabarettkarriere der Typus des Politikers verändert? Und wie haben Sie darauf reagiert?

Richling: Platt könnte man sagen, es gibt die signifikanten Figuren nicht mehr wie Strauss, Wehner und Brandt. Diese Nivellierung begann, als sich Helmut Kohl in seinem Erscheinungsbild und sogar mittels Sprachtraining an den allgemeinen Geschmack anzupassen versuchte. Der Grund ist, dass die neuen Politikergenerationen nur Politik gelernt haben. Früher konnte man was und ist damit in die Politik gegangen. Heute sitzen in den Regierungsbänken nur Anwälte und Lehrer. Und die repräsentieren Politik. Ich sehe es an Leuten, die ich spreche und teilweise kenne, wie sie sich privat geben: Man ist völlig erstaunt. Es ist also für den Parodisten immer schwieriger geworden. Aber auch müßig, darüber zu klagen.

© SZ vom 25.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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