Im Gespräch: Dieter Hildebrandt:Gipfel des Zickenkriegs

Lesezeit: 4 min

"Viel Geschrei um einen Eierkuchen": Dieter Hildebrandt erklärt, warum er dem Parodisten Mathias Richling die Verwendung des Titels "Scheibenwischer" verbietet.

Christian Mayer

1980 brachte die ARD den "Scheibenwischer" ins Programm, ein politisches Kabarett, für das Dieter Hildebrandt stand. Nun wird der Parodist Mathias Richling die Sendung verantwortlich fortführen, allerdings unter anderem Titel. Hildebrandt, 81, ließ "Scheibenwischer", seine Erfindung, verbieten. Richling, meint Hildebrandt, öffne sich zu sehr der Comedy.

Dieter Hildebrandt: Vorzeigekabarettist der ARD. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Hildebrandt, Ihr Kollege Mathias Richling wirft Ihnen "Humor-Fundamentalismus" vor - und sieht Sie als Kabarett-Papst. Was sagen Sie?

Dieter Hildebrandt: Es gibt ein Drama von Shakespeare mit dem schönen Titel "Much Ado About Nothing", sehr frei übersetzt: Viel Geschrei um einen Eierkuchen. Der Anlass für meinen Entschluss, den Titel Scheibenwischer einzukassieren, kam doch von ihm. Unvorsichtigerweise hat Mathias Richling ja vor der Sendung mitgeteilt, was er damit vorhat. Ich hab' das aufmerksam gelesen und dann gesagt: Okay, dann brauchen sie diesen Titel nicht mehr. Und weil ich weiß, dass so was nur mit Anwalt geht, hab' ich das eben mit Anwalt gemacht.

SZ: Das fand Herr Richling nicht nett.

Hildebrandt: Er hat mich angerufen, als der Anwalt eingeschritten war - das hat ihn sehr erregt. Und ich habe ihm meinen Entschluss erklärt: "Ich finde es falsch, dass du die Grenzen des politischen Kabaretts, die früher ja auch nicht immer so eng waren, in Richtung Comedy öffnest." Wer diese Grenzen noch weiter aufmacht, schafft eine unsägliche Mischung aus Kasperei und Aussage. Das hat den Richling sehr, sehr getroffen. Ich versteh' das nicht. Er hätte sich ja gleich einen neuen Titel einfallen lassen können, von mir aus Scheibenkleister oder irgendetwas Originelles.

SZ: Vielleicht wollte Richling mit dem Streit Aufmerksamkeit provozieren?

Hildebrandt: Dann hat er aber Pech gehabt, weil er mir auch einen PR-Effekt beschert hat! Ich bin gerade unterwegs auf Tournee mit meinem Buch "Nie wieder achtzig!" und brauche ebenfalls volle Säle für mein Programm.

SZ: Im neuen Satiregipfel wird auch Ingolf Lück auftreten.

Hildebrandt: Ja, der nie von sich behauptet hat, ein politischer Kabarettist zu sein. Ich habe Ingolf Lück immer als hervorragenden Comedian angenommen. An ihm habe ich gar nichts auszusetzen. Ich mag nur nicht, dass man diesen Leuten jetzt politische Texte aufdrängt, die sie vielleicht gar nicht wollten. Das wäre dann die Vercomedianisierung des Kabaretts, obwohl ich auch das nicht so unglaublich schlimm finde. Ich hege keine päpstlichen Gefühle für die Reinheit der Lehre - mir geht es nur darum, zu verhindern, dass ein Titel, der seit 1980 für politisches Kabarett steht, einen komplett anderen Inhalt bekommt.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, wo die Grenzen zwischen Kabarett und Comedy liegen.

SZ: Haben Sie Richling die Qualifikation als Kabarettist abgesprochen?

Hildebrandt: Gesagt habe ich dies: Ich traue ihm nicht zu, dass er die Kabarettsendung als erster Mann lenken kann. Dazu ist er nicht geeignet, und vielleicht weiß er das auch - er hat wohl ein wenig Angst vor der Aufgabe. Man muss dafür ja nicht nur selber sehr gut sein, sondern auch andere gute Kabarettisten holen, um für einen Abend ein gutes Ensemble zu werden. Mathias Richling ist ein purer Solist, er hat es immer abgelehnt, mit mir Dialoge zu spielen.

SZ: Er gilt als glänzender Parodist. Merkel, Müntefering, Köhler: Er kann einfach jeden Politiker mit seinen Sprechblasen ad absurdum führen. Ist so einer nicht ein Gewinn?

Hildebrandt: Deshalb haben wir ihn damals mit Freuden als ständiges Ensemblemitglied aufgenommen. Er war unser Comedian, unser Parodist, auf den wir stolz waren. Als Gegenpart hatten wir den ziemlich knallharten, manchmal bösen Georg Schramm, dazwischen standen Bruno Jonas und andere. Man hat sich diese Sendungen gemerkt. Ich habe zuletzt oft über Richling gelacht, auch wenn ich hinterher nicht so genau wusste, worüber.

SZ: Richtig lustig war der Scheibenwischer aber auch nicht immer. Sie galten bei vielen als extrem verschnarcht.

Hildebrandt: Es ist nun mal so, dass eine Sendung, die so lange im Fernsehen läuft, immer den Ruf des Antiquierten hat. Journalisten schreiben so was gerne, auch wenn sie noch nie eine Sendung gesehen haben. Ich fand den Scheibenwischer nie verschnarcht - als Bruno Jonas noch dabei war, war alles in Ordnung. Aber mein Gott, wir haben in all den Jahren auch viele schwache Sendungen gehabt. Für manche hab' ich mich richtig geschämt, ist doch klar.

SZ: Wo liegt die Grenze zwischen Kabarett und Comedy?

Hildebrandt: Die ist total fließend, wir haben das ja lange im Scheibenwischer praktiziert. Da gab es komödiantische Elemente, und wir haben zugleich klargemacht, was uns stört an der Politik. Einmal gab es eine ganze Sendung nur zur Gesundheitsreform und was sie aus den Leuten macht. Das war vielleicht nicht lustig, aber wichtig. Manchmal muss man eine Aussage machen, ohne auf Pointen Rücksicht zu nehmen. Wir haben nie auf Pointendichte gezielt, genau das ist der Unterschied zur Comedy.

SZ: Mathias Richling wirft Ihnen die politische Haltung vor. Er bezeichnet Sie als SPD-Kabarettisten.

Hildebrandt: Er hätte ja Gelegenheit gehabt, gegen die angebliche SPD-Hörigkeit aufzubegehren - ich war mit ihm 45 Mal gemeinsam in der Sendung. Vielleicht ist ihm das nicht aufgefallen, sonst wäre er vorher ausgestiegen. Ein lächerlicher Anwurf, zu dem mir nichts mehr einfällt. Wir haben nie einen wichtigen SPD-Politiker geschont, Helmut Schmidt nicht, Gerhard Schröder nicht. Ich gebe allerdings zu, dass ich eine große Sympathie für Willy Brandt und Egon Bahr hatte - weil ich unbedingt wollte, dass sich die Ostpolitik durchsetzt. Dass wir damals als Kabarettisten unsere Waffen benutzt haben, dazu stehe ich.

SZ: Ist politisches Kabarett im Fernsehen wieder zeitgemäß?

Hildebrandt: Unbedingt! Was Schramm und Priol beim ZDF (Neues aus der Anstalt) machen, ist hervorragend, es müsste aber eine Konkurrenz in der ARD geben. Wir haben ja hervorragende Nachwuchskabarettisten wie Claus von Wagner - wenn die mal vierzig werden, haben sie was zu erzählen.

SZ: Was machen Sie eigentlich heute Abend um 22.45 Uhr?

Hildebrandt: Da sehe ich mir die Sendung an, deren Titel ich gerade vergessen habe. Moment: Gipfel? Gipfelgespräche? Jedenfalls gipfelt es. Wahrscheinlich soll jeder, der dort auftritt, ein Meister sein. Wunderbar wäre es, wenn die Sendung der Gipfel der Unverschämtheit wird.

Satiregipfel, ARD, 22.45 Uhr

© SZ vom 19.03.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: