Architektur der Moderne:Abrissbagger auf Long Island

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Das Haus "Geller I" von Marcel Breuer muss einem Tennisplatz weichen. Ein Skandal, nicht nur für Denkmalschützer.

Von Peter Richter

Marcel Breuers Haus "Geller I" in Lawrence auf Long Island steht nicht mehr. Es ist am am 26. Januar den Abrissbaggern zum Opfer gefallen, weil das Immobilienunternehmerpaar Judy und Shimon Eckstein, die das architekturhistorisch bedeutsame Haus kürzlich erworben haben, auf dem Grundstück lieber ein neues Gebäude sowie einen Tennisplatz errichten wollen. Ein wirksamer Denkschmalschutz, der sie hätte davon abhalten können, bestand leider nicht.

Damit ist ein Bau vernichtet worden, der für die Entwicklung des modernen Bauens in den USA als ebenso zentral galt wie für die weitere Karriere von Marcel Breuer nach seiner Immigration aus Deutschland. Breuer hatte das geräumige Wohnhaus 1945 für Phyllis und Bertram Geller in einer direkten Vorortgemeinde von New York City, unweit des heutigen Flughafens John F. Kennedy, entworfen. Der Bau gilt als Beginn seiner Emanzipation aus dem Schatten seines Bauhaus-Kollegen Walter Gropius.

Man kann in dem eher in die Fläche als in die Höhe orientierten Entwurf auch eine Amerikanisierung Breuers ablesen, und man darf dieses flache Wohnhaus der Gellers durchaus als Inbegriff dessen auffassen, was heute "Midcentury Modern" genannt wird, und zwar mit allen Insignien, die dieser Begriff speziell im kulturellen Milieu der Ostküste impliziert. Ein Sohn der Gellers erinnert sich in der New York Times, wie er als kleines Kind in dem großen Wohnzimmer saß, vor dem großen Kamin, durch das große Panoramafenster ins Grüne schaute - und selbstvergessen an den dicken Farbschichten auf dem großen Gemälde von Jackson Pollock herumknubbelte, das genauso extra für dieses Haus entstanden war wie Breuers Einrichtung bis hin zu den einzelnen Möbeln.

Statt zu renovieren, wird vielen Bauten der Moderne lieblos der Garaus gemacht

Breuer brachte der Bau in Amerika den Durchbruch: 1947 kürte ihn die Zeitschrift "Progressive Architecture" zum Haus des Jahres, und Philip Johnson, damals am Museum of Modern Art für die Architektur zuständig, lud Breuer ein, im Hof des Museums auszustellen. Das "Haus im Museumsgarten" von 1949 ging selbst in die Architekturgeschichte ein und wäre ohne das Haus "Geller I" undenkbar. Später baute Breuer für dieselben Bauherren im selben Ort noch ein weiteres Haus, "Geller II", dessen aktuelle Besitzer bisher beteuern, ihrerseits keine Abrisspläne zu hegen. Aber Architekturfreunde und Denkmalschützer in den USA sind trotzdem alarmiert. Zu oft wird in letzter Zeit gerade Beispielen einer in die Jahre gekommenen, daher mit gewissen Unterhaltskosten verbundenen Moderne relativ umstandslos lieber der Garaus gemacht.

In den letzten Jahren traf es etwa einen brutalistischen Bau von Paul Rudolph in Connecticut, das spiralförmige Bavinger House von Bruce Goff in Oklahoma City. Es wird oft beklagt, dass in der amerikanischen Öffentlichkeit ein Gefühl dafür fehle, dass historisch wertvolle Gebäude auch dezidiert modern sein können - und moderne Architektur historisch wertvoll.

In Deutschland, wo die Architektur der Moderne offiziell viel stärker zum Kulturerbe gezählt wird, ist die Situation in Wirklichkeit aber kaum besser: In Berlin wurde soeben das Haus abgerissen, das Marlene Moeschke-Poelzig einst in Berlin für sich und ihren Mann Hans Poelzig entworfen hatte, um einem renditeträchtigeren Neubau Platz zu machen. Und nicht einmal der deutlich konservativere Modernismus der Stuttgarter Schule ist vor so etwas gefeit: Zum Jahresende begann dort der Abriss von Paul Schmitthenners Villa für den Industriellen Otto Werner.

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