Little Britain:Unheimliches "i" vor dem Tod

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Es ist eine Frage, die einen schaudern lässt: Kannte der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs die Bücher Richard Brautigans? Der eine ist Erfinder von "iMac", "iPod" und "iPad". Der andere von "iTod".

Christian Zaschke

Man muss Richard Brautigan wirklich nicht kennen oder gar mögen. Jeder hat so seine Vorlieben. Manche Menschen essen Rahmporee, andere schauen sich Fußballspiele von Scunthorpe United an, wieder andere mögen Richard Brautigan. Er ist, wenn man ihn denn mag, vielleicht eher ein Autor für junge Leute. "Junge Leute" ist übrigens der betulichste Ausdruck, den es gibt.

Trauerbekundungen für den verstorbenen Steve Jobs an einem Apple-Store in Kalifornien. Kannte der Apple-Gründer die Bücher von Richard Brautigan? (Foto: AP)

Das bekannteste Buch von Richard Brautigan heißt "Forellenfischen in Amerika"", und wenn man es als halbalter Sack wieder zur Hand nimmt, findet man immer noch sehr schöne Sätze darin. "Zur Hand nehmen" ist der zweitbetulichste Ausdruck, den es gibt.

Mit dem Begriff "Forellenfischen in Amerika" beschreibt Brautigan im Grunde alles, manchmal ist es eine Person, manchmal ein Zustand, mal ein Ort, mal auch das, was es wörtlich heißt.

In einem Kapitel stellen Maria Callas und Forellenfischer in Amerika gemeinsam Walnussketchup her, das sie am Ende auf ihre Hamburger kippen. Klingt blöd? Das ist blöd, aber es ist zugleich ziemlich phantastisch. Brautigan schreibt: "Es ist gegen die natürliche Ordnung des Todes, dass eine Forelle an einem Schluck Portwein stirbt."

Eigentlich hätte Richard Brautigan nach dem Tod von Steve Jobs eine kleine Renaissance in den Feuilletons feiern können. Aber offenbar mögen noch weniger Leute Richard Brautigan als Rahmporee oder Scunthorpe United.

Kalter Hauch im Nacken

Ein Jahr nach "Forellenfischen in Amerika" veröffentlichte Brautigan ein Buch namens "In Wassermelonen Zucker", das war 1968. Man könnte wetten, dass Steve Jobs es gekannt hat. Erste Seite, dritter Absatz: "Ich wohne in einer Hütte in der Nähe von iDEATH. Ich kann iDEATH von meinem Fenster aus sehen. Es ist wunderschön." Und dann: "In iDEATH herrscht ein empfindliches Gleichgewicht. Das ist genau das Richtige für uns." Unheimlich, nicht wahr?

Vielleicht ist das Rad zweimal erfunden worden, vielleicht haben sich Jobs und seine Apple-Leute das mit dem kleinen i vor Mac, Pod, Pad, Phone usw. selber ausgedacht. Es wäre allerdings auf angenehme Weise bizarr, wenn sie es bei Brautigan geborgt hätten, wenn ihr kleines i also ursprünglich dazu da war, dem Wort TOD voranzustehen.

Es ist viel davon geschrieben worden, was Steve Jobs der Welt hinterlassen hat, unter anderem, so war oft zu lesen, die Zukunft. Man spürt kurz einen kalten Hauch im Nacken, wenn der Erzähler in "In Wassermelonen Zucker" lakonisch hinwirft: "Ich nahm nichts mit, als ich nach iDEATH zog." Das alles hat natürlich nichts weiter zu bedeuten. Außer vielleicht, dass die jungen Leute mal wieder einen Brautigan zur Hand nehmen könnten.

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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