Little Britain:Schüchterner Panda im Regen

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An Schlaf ist in London in vielen Nächten nicht zu denken. Schuld daran ist der Regen, der unablässig auf die Dachfenster prasselt. Großbritannien erlebt den nassesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Jetzt kann nur noch Actionfilm-Darsteller Steven Seagal Trost spenden.

Christian Zaschke, London

Großbritannien erlebt derzeit den nassesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Tags steht keine Sonne am Himmel, der sich in festes Grau hüllt, nachts ist kein Mond am schwarzen Firmament zu sehen, aus dem unablässig Regen fällt.

Tröstende Worte eines schüchternen Pandas: "Wir lieben den Tag, weil da die Sonne scheint, und wir lieben die Nacht, weil da der Mond am Himmel leuchtet." (Foto: REUTERS)

Jede Nacht gibt der Regen auf dem Dachfenster meines Schlafzimmers ein Konzert. Er hämmert, klöppelt und bolzt auf dem Fenster herum. Manchmal wischelt er kurz, um bald darauf zu scheppern und zu bollern, dann gibt er sehr plötzlich Ruhe, und es herrscht vollkommene Stille. Ganz London, so scheint es, hält in diesen Momenten den Atem an. Eine Minute. Zwei Minuten. Dann prasselt der Regen wieder breit auf die Straßen und Fenster. Klar, dass an Schlaf auch mit Ohropax nicht zu denken ist.

Gegen drei Uhr morgens gehe ich für gewöhnlich entnervt in die Küche, trinke ein Glas Milch und schalte im Wohnzimmer den Fernseher ein. Zum Glück läuft auf irgendeinem Privatsender immer ein Film mit Steven Seagal. Filme mit Steven Seagal sind so langweilig, so unwitzig, fade und rundum lächerlich, dass ich eine Schwäche für den Mann entwickelt habe.

Bekannt wurde er 1992 mit "Alarmstufe: Rot", einem öden Abklatsch des legendären "Stirb langsam" mit Bruce Willis. Für den saublöden Doppelpunkt in "Alarmstufe: Rot" kann Seagal nichts, den haben die Deutschen eingebaut, als sie den Originaltitel "Under Siege" (was ungefähr "Im Belagerungszustand" heißt) mehr oder weniger kreativ übersetzten. Seagal spielt einen Schiffskoch (und, was zunächst niemand weiß: früheren Navy Seal), der ein paar Terroristen plattmacht, die sich erdreistet hatten, das Schlachtschiff USS Missouri zu kapern.

Es sagt viel über Seagals Œuvre, dass "Alarmstufe: Rot" sein mit riesigem Abstand bester Film ist. Seagal ist heute 60 Jahre alt und recht füllig, was ihn nicht davon abhält, noch immer in jedem neuen Film reihenweise Bösewichte mittels asiatischer Kampfkunst zu Boden zu strecken. Wenn er "kämpft", wirkt er mittlerweile wie ein schüchtern winkender Panda. Es ist herzzerreißend.

Sieben Goldene Himbeeren hat er bisher gewonnen, die für die jeweils mieseste filmische Leistung des Jahres vergeben werden. 1998 gewann er gemeinsam mit seiner Gitarre die Himbeere für das "schlechteste Team". Er hatte in "Fire Down Below" in einer Kampfpause ein Lied zum Besten gegeben.

Dem Magazin Stern sagte er einmal: "Wir lieben den Tag, weil da die Sonne scheint, und wir lieben die Nacht, weil da der Mond am Himmel leuchtet." Wenn ich nach knapp 30 Minuten des jeweiligen Seagal-Films extrem ermattet ins Schlafzimmer zurückkehre und trotz des Regenkonzerts sanft entschlummere, träume ich stets von diesem Satz.

© SZ vom 07.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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