"Lincoln" im Kino:Wenn du gewinnen willst, dann spiel das Spiel

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Lincoln, Daniel Day Lewis als US-Präsident Abraham Lincoln im Film von Steven Spielberg

Daniel Day-Lewis als US-Präsident Abraham Lincoln in einer Szene des Films von Steven Spielberg.

(Foto: dpa)

Abraham Lincoln schaffte 1865 die Sklaverei ab, drei Monate später wurde er von einem Attentäter erschossen. In dem für zwölf Oscars nominierten Großepos "Lincoln" mit Daniel Day-Lewis hat Steven Spielberg seine Hochform wiedergefunden. Und schickt nebenbei eine Mahnung an Obama.

Von Susan Vahabzadeh

Ganz am Anfang hört man die Geschichte raunen, "auf dass wir hier einen heiligen Eid schwören, dass diese Toten nicht vergebens gefallen sein mögen - auf dass diese Nation, unter Gott, eine Wiedergeburt der Freiheit erleben - und auf dass die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk, nicht von der Erde verschwinden möge." Schwarze Soldaten rezitieren aus der Gettysburg Address - und ihr Zuhörer ist der Präsident selbst, Lincoln, der seinen eigenen Worten lauscht, sein Echo hört aus dem Volk, für das er diese Rede geschrieben hat. Das ist noch ein wenig berührender, als ihn selbst diese große Rede halten zu lassen.

Es geht in Steven Spielbergs politischem Großepos "Lincoln", für immerhin zwölf Oscars nominiert um die Monate vor der Abstimmung über den 13. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung am 31. Januar 1865. Der schaffte dann die Sklaverei ab, doch drei Monate nach der Abstimmung wurde Lincoln vom Attentäter John Wilkes Booth erschossen.

Im Film steht der Präsident noch unter Druck. Der konservative Flügel der republikanischen Partei will vor allem den Bürgerkrieg beenden. Die Opposition hält Lincoln für einen Tyrannen. Den Radikalen sind seine Standpunkte zu weich. Lincoln betrauert noch einen seiner Söhne, seine Frau ist hysterisch, die Verantwortung des Krieges lastet auf ihm. Und vielleicht beschließt er gerade deswegen, alle Mittel auszuschöpfen, um dem Kongress seinen Willen aufzuzwingen.

Müde Schlachtrösser sind sie nicht

Der Dramatiker Tony Kushner hat für das Drehbuch das Buch "Team of Rivals: The Political Genius of Abraham Lincoln" von Doris Kearns Goodwin verwendet. Spielberg hat dazu eine umtriebige, schmuddelige Atmosphäre addiert, die ein Drama, das eigentlich aus Worten entsteht, zu einem Abenteuer macht. Und dann Daniel Day-Lewis , der eine unglaubliche Verwandlung zu Lincoln hinlegt. Als vom Krieg und vom Leben gezeichneter Mann von 55 Jahren, kein Intellektueller, sondern ein kluger Pragmatiker, mit einer Stimme, die einen zum genauen Zuhören verdammt. Ein grandioser Auftritt. Manchmal wirkt er sogar lustig, wenn er seinen Jüngsten hinkend auf dem Rücken ins Bett schleppt, aber trotz der Verkleidung und all den Wehwehchen wirkt das nie lächerlich, weil die Figur, so wie er sie spielt, Selbstironie hat.

Steven Spielberg ist der erfolgreichste Filmemacher unserer Zeit, aber so richtig unschlagbar gut ist er immer dann, wenn ihm das, wovon er erzählt, etwas bedeutet. Er hat die Gabe, Emotionen in Bilder zu verwandeln, und es ist vielleicht ganz logisch, dass das nur funktioniert, wenn diese Emotionen auch ganz und gar seine eigenen sind. Mit "Lincoln" ist er wieder ganz bei sich, hat den magischen Touch wiedergefunden, der "Tim und Struppi" und den müden Schlachtrössern in "War Horse" fehlte.

Seine Protagonisten in "Lincoln" sind beide versehrt, aber müde Schlachtrösser sind sie nicht. Sie sind voller Leidenschaft. Abraham Lincoln, 16. Präsident der Vereinigten Staaten, ist mit Leib und Seele Politiker. Der andere ist kein Südstaaten-Sklaventreiber, der ihm das Handwerk legen will , sondern der größte, leidenschaftlichste, wütendste aller Gegner der Sklaverei, der Abolitionist Thaddeus Stevens, in den Tommy Lee Jones, der Sturköpfe spielen kann wie kein Zweiter, einen Starrsinn hineinlegt, der von Herzen kommt. Er kann für seinen Standpunkt, gegen die Barbarei, ganz wunderbar argumentieren, aber im Kern verteidigt er ihn nicht rational. Es ist das, was er glaubt, was er lebt und was er empfindet.

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